Joachim Guilliard, Heidelberg, zum
"Offenen Brief" der "Gesellschaft für bedrohte Völker" an Jamal Karsli |
Samstag, 14. Juli 2001
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie viele andere auch, habe ich den Text Ihres "Offenen Briefes" an Jamal Karsli, MdL und Migrationspolitischen Sprecher von Bündnis 90 / Die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, erhalten.
Ein weiteres Mal sucht die GfbV keine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern führt eine reine Diffamierungskampagne, um Stellungnahmen, die ihr nicht genehm sind, zu diskreditieren. Seit Monaten versuchen Sie und andere sogenannte Menschenrechtsorganisationen durch solche und ähnliche Kampagnen, jede sachliche Diskussion über die Irakpolitik Deutschlands und seiner Verbündeten zu unterdrücken.
Obwohl auch Ihre Organisation nie versäumt, zu versichern, "daß das umfassende Embargo gegen den Irak so nicht weitergeführt werden darf", ist die GfbV in der Praxis eine der eifrigsten Streiterinnen für seine Fortsetzung. Nach übereinstimmenden Aussagen aller vor Ort arbeitenden Hilfsorganisationen, ist die katastrophale Lage der irakischen Bevölkerung nur durch eine vollständige und bedingungslose Aufhebung der Sanktionen, selbstverständlich mit Ausnahme von Rüstungsgütern, nennenswert zu verbessern (siehe. z.B. die jüngste Stellungnahme der beiden früheren UN-Koordinatoren für humanitäre Hilfe im Irak, Hans von Sponeck und Denis Halliday, junge Welt v. 21.06.2001).
Sie unterstellen dem Abgeordneten Jamal Karsli für eine "extrem chauvinistische arabische Ideologie zu werben" und setzen natürlich darauf, daß nur wenige derer, die Ihr offener Brief erreicht, auch seinen sehr sachlichen Reisebericht gelesen hat. Denn Werbung für eine arabische Ideologie würde sicherlich niemand entdecken. Nachlesen kann man Äußerungen einer größeren Zahl von Irakerinnen und Irakern zur Situation im Lande, nach fast elf Jahren Embargo. Und dies ist meiner Meinung nach auch wichtig - unabhängig davon, daß dabei auch offizielle Vertreter des Regimes darunter sind. UN-Diplomanten, wie die erwähnten von Sponeck und Halliday, haben auch darauf hingewiesen, daß man um die Wiederaufnahme der Gespräche mit dem Regime nicht herumkommen wird, will man tatsächlich einen Wiederaufbau des Iraks im Interesse der Bevölkerung in Angriff nehmen.
Besonders kritisieren Sie die Wiedergabe seines Gesprächs mit den kurdischen Abgeordneten in Bagdad. Unabhängig davon, inwieweit die Aussagen dieser Abgeordneten der Wahrheit entsprechen, ist es doch legitim, daß hier einmal auch Stellungnahmen von anderen Vertretern der kurdischen Bevölkerung im Irak zu lesen sind, als von denen, die in den westlichen Staaten aktiv sind. – Auch viele der von Ihnen in Ihrem Offenen Brief gemachten Angaben würde ich so ebenfalls sehr bezweifeln.
Natürlich leben im Irak auch viele Kurden, die andere politischen Meinungen und Interessen haben, als diejenigen, die in den pro-westlichen Organisationen organisiert sind, und nicht alle müssen deswegen Parteigänger Saddam Husseins sein..
Das widerspricht natürlich der von Ihnen so sehr gepflegten Darstellung, daß es sich im Nordirak um einen Konflikt zwischen "Völkern", zwischen den Kurden und den Arabern", handelt. Diese Sicht, die nur "Völker" kennt, und Ihr einseitiges Engagement für die kurdische Bevölkerung im Norden Iraks auf Kosten der übrigen Bevölkerung, zeigt einmal mehr die völkische Herangehensweise Ihrer Organisation. Sie fordern im (angeblichen) Interesse einer ethnischen Bevölkerungsgruppe, die Fortsetzung einer Politik, die bisher mehr als eine Million Opfer unter der übrigen Bevölkerung gefordert hat.
Eine solche Politik ist zynisch und menschenverachtend, sie ist mit keinen politischen Zielen zu rechtfertigen - und seien sie für sich genommen noch so berechtigt.
Es ist zudem überhaupt nicht ersichtlich, warum eine Aufhebung des Embargos eine direkte Bedrohung für die kurdische Bevölkerung bedeuten könnte und es bestehen doch berechtigte Zweifel daran, daß die Kriegs- und Embargopolitik der USA und Englands das Wohl der kurdischen Bevölkerung im Auge hat. Das gilt im besonderen Maße auch für die willkürlich eingerichteten, völkerrechtswidrigen "Flugverbotszonen", deren Aufrechterhaltung (und damit auch die damit verbundenen regelmäßigen Bombardierungen) sie so vehement fordern.
Ich kann sie - in Erwiderung ihrer Forderung an den Abgeordneten Karsli - nur auffordern, diese Art von zynischem "Menschenrechts"-Aktivismus künftig zu unterlassen. Oder soll das Kürzel GfbV mit: "Gesellschaft für die Bedrohung von Völkern" buchstabiert werden müssen?
Joachim Guilliard,
Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg