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Jamal Karsli MdL zum
"Offenen Brief" der "Gesellschaft für bedrohte Völker" an ihn

Freitag, 13. Juli 2001

Ihr "Offener Brief" vom 9. Juli 2001

Sehr geehrter Herr Zülch,
sehr geehrter Herr Selmeci,

Ihr o.g. Brief hat mich erreicht, weil ich von Dritten auf seine Existenz aufmerksam gemacht wurde. Schon dies ist kein Zeichen korrekten Umgangs miteinander.

In Stil und Inhalt schließt Ihr Schreiben hier nahtlos an. Natürlich habe ich mit Kritik an meiner Irakreise und den daraus folgenden inhaltlichen Konsequenzen gerechnet. Das war es mir aber wert, wenn dadurch der öffentliche Blick auch hierzulande endlich stärker auf die durch die internationalen Sanktionen Not leidende Bevölkerung gerichtet wird.

Die veröffentlichten Zahlen, wonach als Folge des über zehnjährigen Embargos 1,5 Millionen Menschen, überwiegend Kinder, im Irak ums Leben gekommen sind, stammt nicht etwa von Saddam Husseins Regierung, sondern von der unverdächtigen UNICEF. Trotz dieses Wissens hat es außer den auch in Ihrem Schreiben wiederholten Lippenbekenntnissen in all dieser Zeit keine ernsthafte Initiative zur Linderung des Leids der Zivilbevölkerung im Irak gegeben.

Viele mir bekannte Persönlichkeiten, die sich ernsthaft mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben, viele anerkannte Nahost-Experten aus verschiedensten Ländern, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und andere kommen zu der Erkenntnis, dass die ohnehin nicht erreichten Ziele der Sanktionspolitik nicht länger auf dem Rücken der irakischen Bevölkerung verfolgt werden dürfen.

Weder vor noch nach meinem Besuch habe ich in irgendeiner Äußerung die irakische Regierung verteidigt oder verharmlost. Ich bestreite auch nicht, dass viele der von Ihnen erhobenen Vorwürfe gegen die Regierung des Irak stimmen, nur richte ich im Gegensatz zu Ihnen meinen Blick vor allem auf das Leid der Bevölkerung. Durch die auch von Ihnen vertretene, im westlichen Ausland dominierende Meinung haben Sie jedoch die innenpolitische Position von Saddam Hussein seit dem Golfkrieg nicht geschwächt, sondern eher noch gestärkt, fast die gesamte Bevölkerung der arabischen Welt steht heute hinter dem irakischen Präsidenten. Außerdem erstaunt mich immer wieder, dass diese scharfe Kritik an Saddam Husseins Regierung noch nicht erhoben wurden, als er seinerzeit mit westlichen Technologien als "Bollwerk" gegen den islamistischen Iran mit Milliardensummen aufgerüstet wurde.

Ihr gegen mich gerichteter Vorwurf, "für eine extrem chauvinistische arabische Ideologie zu werben", ist daher zu lächerlich um darauf ernsthaft einzugehen. Sie dienen mit solchen Ausfällen weniger der Wahrheitsfindung als vielmehr einer Unterfütterung offenbar auch bei Ihnen vorhandener Vorurteile und Ressentiments.

Ich lebe als arabischstämmiger Muslim in Deutschland, bin mit einer italienischstämmigen Katholikin verheiratet und habe Freunde in unterschiedlichsten ethnischen Zusammenhängen. Ich habe - oft erfolgreich - für die Interessen afrikanischer und fernöstlicher, kurdischer und arabischer, bosnischer, kosovarischer usw. Flüchtlinge im Petitionsausschuss und anderswo gekämpft. Sie, Herr Zülch, dürften sich noch daran erinnern, dass wir vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam in Berlin für ein Ende des Krieges in Tschetschenien auf die Straße gegangen sind! Und mit Herrn Selmeci habe ich kürzlich auf einer Veranstaltung des Zentrums für Türkeistudien gemeinsam für die Rechte der Kurden gestritten. Vor wenigen Wochen erst habe ich als Gastredner am diesjährigen Kongress von YEK-KOM in Dortmund teilgenommen und für meine Positionen im Kurdenkonflikt Beifall erhalten.

Davon ausgehend, dass Ihnen mein Tätigkeitsfeld im Groben bekannt ist, kann ich Ihre Attacken nur als Versuch der Ehrabschneidung werten. Es wird Sie daher nicht wundern, dass ich Ihre Rücktrittsforderung ohne Zögern zurückweise.

Ich kann nur hoffen, dass es sich bei Ihrer Überreaktion um einen Ausrutscher handelt, wie seinerzeit, als wir gemeinsam hier vor dem Düsseldorfer Landtag für die Rechte der Kosovo-Albaner demonstriert hatten und Sie gegenüber dem damaligen Innenminister ständig von "Bosniern" geredet haben.

Da ich die Arbeit und das Engagement Ihrer Organisation ansonsten sehr schätze, bleibt mir nur die Hoffnung, dass Sie sich auf den Boden der sachlichen Debatte zurückbewegen. Dann können wir gern über den angemessenen Umgang mit dem Irak und seiner Bevölkerung sprechen.

Mit freundlichen Grüßen

Jamal Karsli MdL