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Heidelberger-Rundschau, 19. April 2001

Städtepartnerschaft Heidelberg - Ninive/Mosul:

Stellungnahmen der Mitinitiatoren

Harry Siegert, DGB Vorsitzender Rhein-Neckar-Heidelberg
Dr. Steffen Bauer, Dekan evang. Kirche Heidelberg
Prof. emer. Nathan Peter Levinson, Landesrabbiner
Dr. Klaus von Zedtwitz, Dekan kath. Kirche Heidelberg
Prof. Subbi AI-Zuhyri, Bagdad
Hans Kratzert, Pfarrer
Raff Georges Khoury, Fakultät der Orientalistik der Uni HD

Harry Siegert,
DGB Vorsitzender Rhein-Neckar-Heidelberg:

"Es ist ein stiller Tod, den die Menschen im Irak sterben, im November 2000 waren es mehr als 10 000 darunter 7556 Kinder. Sie starben als Folge der brutalen westlichen Strafaktion, die sich Embargo nennt, an Mangelernährung, Durchfall und Erkrankungen der Atemwege. Seit 1990 ist das irakische Volk auf Betreiben der USA und ihrer Freunde mit den schärfsten Sanktionen konfrontiert, die je verhängt wurden. Ein ganzes Volk wird von den selbsternannten Menschenrechtskämpfern in Geiselhaft genommen, um einen ehemaligen Freund der USA und heute dämonisierten Herrscher zu stürzen, der in der Tat einen völkerrechtswidrigen Annexionsversuch von Kuwait unternommen hatte. Wenn ein Regionalstaat gegen westliche Interessen verstößt, das ist die Doktrin, wird er durch wirtschaftliche Macht, oder notfalls durch miIitärische Gewalt, ohne Rücksicht auf die Bevölkerung zur Korrektur gezwungen.. In zehn Jahren sollen n ach offiziellen Angaben 1,7 Millionen Menschen, darunter weit mehr als 500.000 Kinder ihr Leben gelassen haben. Diese Sanktion ist die verheerendste Massenvernichtungswaffe unserer Zeit.

In der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UNO" heißt es im Artikel 25: "Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung sowie ärztliche Betreuung gewährleistet. Mutter und Kind haben Anspruch auf besondere Hilfe und Unterstützung". In diesem Sinne fordere ich die Aufhebung des Embargos gegen die Menschen im Irak und will die von der Heidelberger Rundschau und den beiden Dekanaten des Kirchenbezirkes Heidelberg initiierten Partnerschaftsbestrebungen unterstützen."

 

Dr. Steffen Bauer, Dekan evang. Kirche Heidelberg

"Ein Grundzug des Wirkens Jesu war mit Sicherheit, daß er immer wieder mit bestehenden Konventionen gebrochen hat und somit der Grund gelegt war, warum im Neuen Testament davon gesprochen wird, daß der Glaube Grenzen sprengt, mit bestehenden Vorurteilen aufräumt und vor allem eines im Auge hat:

Menschen konkret zu helfen, ihnen Heil und Heilung zu schenken. Dabei steht dann nicht die Frage im Vordergrund, welche Hautfarbe jemand hat oder aus welchem Land er kommt, sondern wo Not ist und wie wir helfen können. Genau diesem Gedanken weiß sich auch diese Initiative verpflichtet und richtet die Aufmerksamkeit auf Menschen, die im Strudel der politischen Ereignisse kaum wahrgenommen werden. Ihnen Zeichen der Hilfe, der Solidarität zukommen zu lassen, ist wichtig.

Daneben ist besonders zu betonen, daß sich Vertreter unterschiedlicher Religionen und Glaubensauffassungen in diesem einen völlig einig sind: Hilfe für Menschen führt zusammen. Damit werden die bestehenden Unterschiede zwischen den Religionen nicht gleichgültig. Wohl aber wird deutlich, daß uns allen die Unterstützung von Menschen am Herzen liegt. So kann man dieser Initiative wirklich nur alles Gute wünschen."

Prof. emer. Nathan Peter Levinson, Landesrabbiner:

"Als Kinder Gottes sind wir alle Brüder und Schwestern. Weshalb also handeln wir treulos der eine gegenüber dem anderen, so fragt einer der Propheten Israels. Aber es gibt ja auch oft Streitigkeiten innerhalb der eigenen Familie. Kain erschlägt seinen Bruder Abel – und stellt dann die Frage, ob er denn seines Bruders Hüter sein solle. Aber wir sollen wissen, daß wir alle die Hüter unserer Brüder sind. Das ist besonders der Fall, wenn es sich um schutzlose kleine Kinder handelt die möglicherweise Krankheit und Hunger ausgesetzt sind. Sie bedürfen besonders unserer Fürsorge. Wenn wir uns der Menschen im Irak annehmen, dann denken wir an diese und an unsere Verantwortung ihnen gegenüber, Es geht nicht um irgendwelche politische Aussagen, sondern um das Menschliche. Wir haben kein Recht als Menschen, oder in unserem Fall als Juden, uns den anderen vorzuenthalten. Wir sind für auch für ihr Wohl und Wehe verantwortlich. Sanktionen sind ein Teil von Kriegführung, und wir führen keinen Krieg gegen Kinder Außerdem helfen Sanktionen meist wenig. Das im Auge zu behalten ist eine heilige Verpflichtung''

 

Dr. Klaus von Zedtwitz, Dekan kath. Kirche Heidelberg:

"Kein Weltfriede ohne Religionsfriede" -so lautet die These des Tübinger Theologen Hans Küng. Friede geschieht nicht einfach, sondern verlangt Aktion. Es gilt, die These Heraklits (6. Jh. v. C.) zu widerlegen, daß der Krieg der Vater aller Dinge sei! Anfangen – ja! Aber wo? Zunächst natürlich in unserer Nähe – in Heidelberg. Heidelberg hat ein Klima, in dem Menschen unterschiedlicher Religionen und Traditionen gut miteinander leben. Das weitet den Horizont, z. B. bis in den Irak – da bewegen wir uns auf dem Boden der Bibel und des Koran. Irak, da bewegen wir uns trotz der Hitze auf Glatteis: Saddam Hussein! Diktatur! Die UNO-Sanktionen! Verantwortung der Staatengemeinschaft -aber wie? Eines ist sicher: Die Sanktionen treffen nicht den Herrscher und die ihm Nahestehenden: Die Leidtragenden sind die Kinder. Nach dem Angriff auf den Irak im Dezember1998 meldete Vatican Information Service: "Papst Johannes II stimmt völlig mit UN-Generalsekretär Kofi Annan überein, der die Aktion als traurigen Tag für die Vereinten Nationen der Welt' bezeichnete. Vehement setzt sich der Papst seit Jahren für die Aufhebung der Sanktionen ein. Im Januar 2001 besuchte eine Caritas-Europa-Delegation den Irak. Die abschließende Empfehlung war einfach und klar: Die Sanktionen müssen sofort aufgehoben werden! Im Irak leben Menschen unterschiedlicher Religionen zusammen. Menschen aus verschiedenen Religionen und Denkrichtungen sollten ihnen zu Hilfe kommen. Auch wenn wegen des Irak der Weltfriede nicht in Gefahr ist -trotzdem gehören die leidenden Menschen im Irak zu einer Welt, die, wie der Friede, letztlich unteilbar sind

 

Prof. Subbi AI-Zuhyri, Bagdad:

"Ich denke, die Menschen im Irak werden ein Bemühen um eine Partnerschaft zwischen Heidelberg und Mosul als Zeichen begreifen, daß Freundschaften zwischen Menschen möglich sind, auch wenn politische Zäune dagegen zu sprechen scheinen. Ich bin stolz, an diesem ersten Treffen der Initiative in Heidelberg teilgenommen zu haben"

Hans Kratzert, Pfarrer:

"In der ersten Lesung der Osternacht heißt es: "Gott schuf den Menschen zu seinem Ebenbild". In einer Zeit, in der der Wert des Menschen auf seinen ökonomischen Wert oder auf-seine Kosten reduziert wird, ist es um so nötiger, daran zu erinnern, daß alle Menschen, zu welchem Volk sie auch gehören, Geschöpfe Gottes und sein Ebenbild sind. Ostern ist der Protest gegen alle Todesmächte. Deshalb treten Christen für das Lebensrecht gerade der Benachteiligten und an den Rand Gedrängten ein. Ich begrüße es daher, wenn durch die geplante Initiative Menschen, die wir in ihrer Not kaum wahrnehmen, uns zu Nächsten werden und so in ihrer Würde einst genommen werden."

Raff Georges Khoury, Fakultät der Orientalistik der Uni HD:

"Hier in Heidelberg wurden viele Studenten aus dem Irak ausgebildet. Regelmäßig kamen Kollegen aus dem Irak hierher. Gerade mit Mosul werde ich gerne Kontakte aufnehmen, diese Stadt hat ja eine uralte Vergangenheit, die bis in die Zeit von Alt-Mesopotainien gründet, Seit der Herrscher in Bagdad der Abbasiden, spielte sie eine sehr große Rolle für die Versorgung des Kalifen in Bagdad mit hochkarätigen Wissenschaftlern und Künstlern. Mosul ist zudem die älteste Stätte im Irak, wo Muslime, Christen und Juden zusammen lebten und leben. Das ist eine wunderbare, vielfältige Gemeinde für uns. Damit würde auch dem Geist der interreligiösen Zusammenarbeit Tribut gezollt werden. Zunächst würde ich Kontakte auf der Kulturebene vorschlagen, durch so entstandenes Zusammensein könnte dann auch ein interreligiöser Kontakt hergestellt werden zwischen Islam, Christentum und Judentum. Ich denke, daß die Regierung in Bagdad dagegen keine Einwände hätte, da dieser Dialog zu allen Zeiten hervorragende Früchte getragen hat."