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Heidelberger Rundschau, 12. Juli 2001

Städtepartnerschaft Heidelberg - Ninive/Mosul:

Quadratur der Freundschaft

zum Besuch des Geschäftsträgers der irakischen Botschaft in Heidelberg

Heidelberger Bürger, die Oberbürgermeisterin, sowie Christen beider Konfessionen wollen gesteuerte und gewollte Not im Irak nicht mehr hinnehmen: Städtepartnerschaft Heidelberg - Ninive-Mosul kommt in Gang

» Irakischer Botschafter im Gespräch

Am Vorabend des offiziellen Besuchstages gab Dietrich Tuengerthal einen urigen Abend in seinem Altstadtkeller, natürlich gab es neben einem türkischen Buffet auch Gespräche über das weitere Vorgehen im Hinblick auf die Städtefreundschaft. Am nächsten Tag erwartete die aus der alten Hauptstadt angereiste Delegation ein volles Programm. Beate Weber empfing die Gruppe im großen Rathaussaal, bedankte sich für das Engagement der teilnehmenden Heidelberger Bürger und verwies darauf, daß so ein erster Schritt aus der Sprachlosigkeit zwischen Menschen verschiedener Nationen getan sei, die es zu überwinden gelte. Das Leiden der Bevölkerung durch das Embargo müsse ein Ende haben. Vom Rathaus zogen Botschafter, Delegation und Heidelberger Bürger in die benachbarte Heiliggeistkirche, wo sie von Schuldekan Erich Eßlinger empfangen wurden. Seine Rede und die des Dekans der katholischen Kirchengemeinde Dr. Klaus von Zedtwitz wollen wir Ihnen - derweil andere lokale Medien - mag sein im Hinblick auf den hier stationierten "Großen Bruder" in wohl vorauseilendem Gehorsam gar nicht erst vertreten waren - nicht vorenthalten:

"Gottes Landkarte hat keine Grenzen - ich finde das ist ein sehr schönes Motto für die Menschen aus Heidelberg für die Menschen aus Ninive-Mosul in Ihrem Land. Gottes Landkarten haben keine Grenzen - es mag uns vieles unterscheiden, unterschiedliche Geographie, Kultur, Religion oder Sprache, aber wenn diese Welt eine Zukunft haben soll, dann kann es sie nur über Menschen geben, die einander begegnen wollen, die neugierig aufeinander und bereit sind, sich vom jeweils anderen bereichern zu lassen. Nicht, um alle Unterschiede einzuebnen, sondern gerade im Respekt vor dem anderen zu geben und zu nehmen.

Die evangelische Kirche begrüßt deshalb ganz ausdrücklich die Idee dieser Städtefreundschaft, vor allem auch deshalb, weil damit ein Zeichen gesetzt wird für grenzüberschreitende Begegnung und Freundschaft und zugleich gegen die Sanktionspolitik der UNO, in deren Folge so viele Menschen, insbesondere die schwächsten Glieder in der Kette, die Kinder, bitter leiden müssen und - zum Beispiel - wegen fehlender Medikamente sterben müssen."

Heidelberger Preisträger des Bundeswettbewerbes "Jugend musiziert" gaben einen würdigen Rahmen für diesen Empfang in der Kirche - Shamil A. Mohammed lud sie und andere Jugendliche spontan (und mittlerweile auch ganz offiziell) nach Bagdad zum im Herbst stattfindenden internationalen Musikfestival "Babylon" ein. Mit dabei sein wird auch der Sprecher des Jugendrates der Stadt Heidelberg i. R. Jan Schoenmakers, dessen Rede auf der Jugendseite der letzten Rundschau bereits vorab zu lesen war.

 

Klaus von Zedtwitz

"Kein Weltfriede ohne Religionsfriede" - so lautet die These des Tübinger Theologen Hans Küng. Deshalb ist die Heidelberger Initiative von Muslimen, Juden und Christen für Ninive-Mosul bedeutsam. Mosul ist die älteste Stätte im Irak, wo Muslime, Christen, und Juden zusammenlebten und leben. Mosul ist eine multikulturelle Stadt. Es gibt auch das kurdische Mosul. 16 km nordöstlich der Stadt liegen die Ruinen von Ninive, der Hauptstadt des Assyrerreiches von 704 - 612 v. c.

Hier im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris bewegen wir uns auf geschichtsträchtigem Boden. Bei den Ausgrabungen zeigt sich der Übergang von der Lebensweise der Jäger und Sammler zu den Ackerbauern, Funde weisen auf eine Zeit vor 7000 Jahren. Frühe Kulturen werden sichtbar. Die Sumerer vor 5000 Jahren: Der Tempel in der Mitte der Stadt. Der Stadtgott im Zentrum. Es entwickelte sich Gesetz, Recht und Kunst im Dienste Gottes.

Man benötigte Maße, Gewichte, Währung, Zeiteinteilung und eine Schrift.

Wir stehen an der Wiege der Kultur

Der Kultur des Friedens und der Freundschaft fühlt sich unsere Initiative verpflichtet. Wir bauen auf das Fundament des Ethos unserer Religionen, das in der Geschichte auch immer wieder verraten wurde und mißachtet wird.

Gerade deshalb wollen wir zeigen, daß es zwischen Muslimen, Juden und Christen viel Verbindendes gibt, das vor Ländergrenzen nicht Halt macht - und auch nicht vor der Sanktionsgrenze zum Irak.

Gott, der in den Religionen unterschiedliche Gesichter hat, ist ein Gott der Liebe und des Friedens. Das zeigt sich in der biblischen Geschichte von Jona.

Jona will nicht nach Ninive. Er muß. Dort angekommen, kann er nicht verstehen, daß Gott nicht auf Gewalt setzt, sondern auf Versöhnung.

Gott will nicht den Untergang dieser Stadt

Der letzte Satz des Buches Jona ist ein Wort Gottes: "Mir aber sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die nicht einmal rechts und links unterscheiden können - und außerdem so viel Vieh?" (Jona 4,11) Es ist eine Frage - auch an uns!

Menschen, eingezwängt zwischen Machthaber und Sanktion haben die Wahl zwischen rechts und links verloren.

Ich möchte ein Wort Jesu ins Gedächtnis rufen:

"Ihr wißt, daß die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über Menschen mißbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein." (Mk 10,42f.) Diese Hoffnung verbindet die Religionen.

Deshalb Sadaaqua - Freundschaft.

Und da Leben immer konkret ist: mit Mosul-Ninive!"

KvZ

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Irakischer Botschafter im Gespräch

Shamil A. Mohammed, die Bundesrepublik Deutschland unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Ihrem Land. Nun gibt es eine Initiative der Dekane der beiden christlichen Kirchen Dr. Steffen Bauern und Dr. Klaus von Zedtwitz, sowie dem Landesrabbiner Prof. Nathan Peter Levinson und Bürgern, die eine Städtepartnerschaft zwischen Heidel berg und der irakischen Stadt Ninive-Mosul mit anstrebt. Könnte das ein erster Schritt sein auf dem Weg zu einer Normalisierung des Umganges miteinander?

Verbunden mit einem herzlichen Dank an Beate Weber, die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg, die mich im Rathaus empfangen hat und mir den Eintrag in das Goldene Buch der Stadt ermöglicht hat, möchte ich das mit einem ganz klaren "ja" beantworten. Ich könnte mir denken, daß dies eine Initialzündung auch für andere Städte sein könnte, einen solchen Schritt zu gehen. Irgendwann kann dann vielleicht Ihre Bundesregierung nicht mehr ignorieren, daß viele Menschen hier in Deutschland einen menschlicheren Umgang mit den Menschen in meinem Land haben wollen. Daß die deutsche Botschaft in Bagdad geschlossen ist, tut uns sehr weh, aber auch für Menschen aus der Bundesrepublik, die im Irak Geschäfte machen, ist das sicher von großem Nachteil!

Hatten Sie neben privaten Kontakten während ihres Aufenthaltes auch Kontakte mit Vertretern der Wirtschaft?

Ja, es wurden hier Kontakte zu Firmen hergestellt, die sich mit Trinkwasseraufbereitung und Telecommunikation beschäftigen. Beides wird bei uns dringend gebraucht. Auch bei den Heidelberger Druckmaschinen wurden wir sehr freundlich empfangen. Ein Anfang ist gemacht, wir freuen uns auf den Besuch einer Delegation im Irak, ich weiß, daß die entsprechenden Stellen in Bagdad sehr interessiert daran sind.

aus: Heidelberger Rundschau, 12. Juli 2001