Eine Spur der Zerstörung

Die Folgen des Krieges sind im Irak noch allgegenwärtig. Brief aus Bagdad

Karin Leukefeld, junge Welt vom 30.04.2003
 
Auf dem über 500 Kilometer langen Landweg von der jordanisch-irakischen Grenze nähert man sich der irakischen Hauptstadt Bagdad nur langsam. Die Landschaft wirkt öde und verlassen, nur vereinzelt weisen Zerstörungen darauf hin, daß in diesem Land vor gut zwei Wochen noch ein heftiger Bombenkrieg tobte: Verbrannte Buswracks und Personenwagen, ein riesiger Bombenkrater inmitten der Fahrspur Trebil–Bagdad zwingt den Konvoi, auf die gegenüberliegende Fahrbahn zu wechseln, später eine verlassene Raststätte neben einer von Bomben zertrümmerten Telekommunikationsanlage, eine zerstörte Brücke. Das Schicksal der Menschen, die hier vielleicht ihr Leben verloren, verletzt und verkrüppelt wurden, bleibt unsichtbar. Anders als früher ist die Strecke nicht mehr sicher. Seitdem Hunderte Journalisten mit ihren wertvollen technischen Geräten nicht mehr von Amman nach Bagdad fliegen können, werden ihre Fahrzeuge nun häufig beschossen, gestoppt und ausgeraubt. Tote gab es bei dadurch verursachten Unfällen, Reisende und Fahrer sind gleichermaßen nervös. Besonders groß ist die Gefahr für alleinfahrende Autos, also schließen sich die Wagen zu Konvois zusammen.

Die Einfahrt nach Bagdad, 14 Tage nach Ende der dreiwöchigen Bombardierungen, ist schockierend: Brand- und Ölflecken auf der Straße, ausgebrannte Panzer, etliche Militär- und Zivilautos liegen am Straßenrand und auf dem Mittelstreifen. In Abu Ghraib, einem der ärmsten Wohnviertel in Westbagdad, stehen die Panzerwracks zwischen den Häusern, von denen etliche zerschossen sind. Kinder spielen dazwischen herum, als sei es das Normalste auf der Welt, Müll stapelt sich vor den Häusern. Auf dem Gelände des großen und berüchtigten Gefängnisses von Abu Ghraib haben sich mittlerweile US-Panzer und Soldaten positioniert.

Auch Al Mansour, eines der »besseren« Wohnviertel Westbagdads, blieb nicht verschont. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, doch verwundert kann man sehen, daß vor dem Restaurant, in dem angeblich die irakische Regierungsspitze versammelt war, als die US-Luftwaffe vier schwere Bomben auf das Gebäude warf, schon wieder die ersten Tische auf dem Gehweg stehen und die Passanten zum Essen einladen. Die Bomben drangen tief ins Erdreich ein, erschüttert durch die gigantische Wucht von fast 1000 Kilogramm Sprengkraft je Bombe fielen auch umliegende Wohnhäuser zusammen und begruben ganze Familien unter sich. Ob Saddam Hussein, wie es zunächst hieß, und seine Führungsriege wirklich dort getötet wurden, ist nach wie vor unbekannt. Und was man auch nicht sieht im Vorbeifahren, sind die Wunden in den Herzen und Seelen der Menschen. Ihre traumatischen Erinnerungen an die langen Schreckensnächte, die Trauer über verlorene Angehörige, die Angst vor der unsicheren Zukunft lassen sich höchstens erahnen. Und wer wird die Kosten tragen, fragt der Fahrer, werden die Amerikaner die Menschen für die Zerstörungen entschädigen?

Was vor dem Krieg als Symbol staatlicher Macht und technischen Fortschritts stolz über der Stadt thronte, ist nun verbrannt und zertrümmert. Die Kuppel des großen Palastes, der nie wirklich fertig gebaut und kaum benutzt wurde, ist nur noch Stahlgerüst und erinnert wie ein Skelett an die vergangene Staatsmacht. Zertrümmert ragt das Telekommunikationsgebäude neben dem Saddam-Tower in den Himmel. Der Fernsehturm, früher mit seinem Café ein beliebter Ausflugsort der Einwohner Bagdads, ist ebenfalls schwer beschädigt. Der noch bis März mit großem Engagement renovierte Eingangsbereich des Zoos der Hauptstadt zeigt Kampfspuren, die Eingänge sind noch immer mit Sandsäcken verbarrikadiert, dahinter ragen schwarz verbrannte Fahrzeuge hervor. Das Messegelände, auf dem noch im letzten Oktober stolz die internationale Wirtschaft begrüßt wurde, ist ein Trümmerhaufen. Und auch bei den Lagerhallen auf dem Gelände des alten Militärflughafens Muthanna ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Das dort lagernde Baumaterial war für den Bau einer großen Moschee vorgesehen. Die mächtigen Druckwellen haben noch in weitem Umkreis Dächer beschädigt und Fenster zerstört. Warum diese Lagerhäuser Ziel der Luftangriffe wurden? Vielleicht, weil man Tausende Kämpfer der Republikanischen Garden oder andere irakische Kampftruppen dort vermutete. Das hatte sich beim Einzug in Bagdad dann doch als Trugbild herausgestellt.

 
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