Straße der Ruinen

Iraks zweitgrößte Stadt liegt in Trümmern. Öffentliche Ordnung zusammengebrochen

Karin Leukefeld, Basra, junge Welt vom 08.05.2003
 
Basra, 600 Kilometer südöstlich von Bagdad gelegen, ist mit geschätzten zwei Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Irak. Mit der Einnahme Basras durch die britischen Truppen am 9. April sind in der Stadt sämtliche öffentlichen Strukturen zusammengebrochen. Gezielt wurden Gebäude der früher regierenden Baath-Partei bombardiert, in den Trümmern durchstöbern jetzt Menschen Akten und Papiere. »Ich schaue nach, ob ich Informationen über verschwundene Freunde finde,« sagt ein Mann, der aus seiner Freude über den Fall des alten Systems keinen Hehl macht. Sorgen über die Zukunft? Nein, die mache er sich nicht. Er habe genügend Geld, und gesund sei er auch.

Nicht weit von dem Mann entfernt montiert ein Vater mit zwei Söhnen Kabel ab. Vater und Kinder sehen grau und hager aus. Die Kabel nehme er später auseinander, erklärt der Mann, für einen Meter Kupferkabel bekommt er auf dem Markt 5000 Irakische Dinar (etwa 2,5 US-Dollar). Vor allem in den Iran könne man das Kupfer gut verkaufen.

Die frühere Prachtstraße von Basra, die Hafenpromenade am Schatt al Arab, hat sich gehörig verändert, keines der Gebäude entlang der Straße ist unbeschädigt. Bombardiert oder geplündert und angezündet wurden das Arbeitsamt, ein Museum für Naturkunde, ein Klubgebäude, frühere Büros von Schiffahrtsgesellschaften und selbst vor dem ehemaligen Luxushotel Sheraton hat die Verwüstung nicht haltgemacht. Räuber haben sich erst aller Wertgegenstände aus dem Hotel bemächtigt und anschließend den Eingangsbereich systematisch zerstört. Schließlich ging das Haus in Flammen auf, jetzt ist es eine verkohlte, abbruchreife Ruine.

»Das waren organisierte Plünderungen«, sagt Sajid German, der so heißt, weil jemand aus der Familie seines Vaters früher einmal in Deutschland gearbeitet hat. Die Plünderungen seien passiert, als die Briten nach Basra einmarschierten. Mit ihnen seien Leute aus Kuwait gekommen. Sie hätten Gebäude geöffnet und die Iraker aufgefordert, sich zu bedienen. »Wir sind hier alle arm, natürlich haben Leute Sachen mitgenommen, um sie zu verkaufen«, gibt Sajid zu. Doch kein Iraker hätte die Gebäude angezündet, das seien die »Ausländer« gewesen. »Schreiben Sie das, ich werde Satellitenfernsehen schauen und überprüfen, ob diese Information in Deutschland ankommt«, sagt Ahmed Ali, ebenfalls aus Basra. Ahmed kritisiert die internationale Berichterstattung und die dicht um ihn herum versammelte Männermenge stimmt ihm zu. »Jetzt wollen sie uns eine fremde Regierung vor die Nase setzen«, sagt Sajid. »Warum? Sind wir zu dumm, uns selber zu regieren?«

Nicht nur die Staatsmacht ist spurlos verschwunden, weg sind auch die Statuen der Generäle, die seit Jahren über dem Schatt al Arab anklagend ihre Arme in Richtung Iran ausgestreckt hatten. Die Generäle befehligten Hunderttausende Soldaten, die im Krieg zwischen 1980 und 1988 gegen den Iran ihr Leben verloren hatten. Am Ende fielen die hochrangigen Militärs selbst. Doch liegen die Statuen, mit denen die Generäle gewürdigt werden sollten, weder im Wasser noch in Trümmern neben ihrem Sockel. Lachend lüften Passanten später das Geheimnis: Alle Statuen wurden abmontiert und mit einem Schiff den Fluß hinunter in den Iran transportiert. Wegen des eingelassenen Kupfers habe es 200 Dollar pro Statue gegeben, das sei doch ein gutes Geschäft gewesen.

Nur eine Figur steht noch stolz auf ihrem Sockel, sie sieht dem verschwundenen irakischen Präsidenten Saddam Hussein täuschend ähnlich. Es handelt sich um den populären General Adnan, Schwager von Saddam Hussein. Adnan kam gegen Ende des Iran-Irak-Krieges bei einem Flugzeugabsturz unter ungeklärten Umständen ums Leben. Da er bei den Irakern beliebter war als Saddam Hussein selbst, sind die Leute sich sicher, daß Adnan vom untergegangenen Regime ermordet wurde. Daß sein Standbild nicht in den Iran verkauft wurde, soll ihm offensichtlich die letzte Ehre erweisen.

 
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