Kein Mandat zum Krieg

Für ein militärisches Vorgehen gegen den Irak bedürfte es einer neuen Resolution des Sicherheitsrats. Zu diesem Ergebnis kommt ein am 2. Januar 2003 abgeschlossenes Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags, das die junge Welt in ihrer Ausgabe vom 04.02.2003 ungekürzt dokumentiert hatte.

Leider darf dieses interessante Dokument nicht mehr auf dieser Internetseite dokumentiert werden. Auch von der entstprechenden Seite der "jungen Welt"(http://www.jungewelt.de/2003/02-04/003.php) mußte es entfernt werden. Wir wurden eindringlich darauf hingewiesen, dass dieses Papier nur intern verwendet werden dürfe und nicht zur Veröffentlichung bestimmt sei. Interessenten sollten sich aber am Besten an den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags wenden.
Es wird auch darauf hingewiesen, daß Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wiedergeben. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen.

Bemerkung

Die Mühe des Bundestags alle Speicherorte dieses Dokumets im Internet ausfindig zu machen, macht aus Regierungssicht durchaus Sinn, kommt doch dieses Gutachten zum Schluß, dass für ein militärisches Vorgehen gegen den Irak auf alle Fälle eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrates notwendig wäre.
Dies ist daher von hoher Brisanz, da somit definitiv der britsch/amerikanische Truppenaufmarsch völkerrechtlich ohne jegliche Legitimation ist, d.h. gemäß UN-Charta schon eine ernste Bedrohung des Friedens, gegen die die Staatengemeinschaft eigentlich einschreiten müßte. Ein Angriff ohne explizites Mandat wäre eindeutig ein Angriffskrieg.

Da in Deutschland ohnehin schon die Vorbereitung eines Angriffskrieges unter Strafe steht, müßten nach diesem Gutachten alle direkten und indirekten Untersützungsleistungen unterlassen werden. Die Regierung möchte daher die Frage, ob z.B. Res. 1441 tatsächlich schon eine Legitimation zum Krieg enthält, lieber ungeklärt lassen, wäre sie doch sonst gezwungen den USA die Nutzung ihrer Basen hier und des Luftraums zu untersagen, sowie die zur Untersützung der US-Truppen abkommandierten BW-Soldaten wieder zurückzuziehen.

Letztlich nimmt der Bundeskanzler dabei eine äußerst bedenkliche Haltung zur Verfassung ein, die sich am deutlichsten in seinen Worten äußerte, das sei keine Frage der Juristerei sondern der Außenpolitik .

Wir fassen das Ergebnis dieses Gutachten im folgenden kurz zusammen.

Begutachtet worden war die Reichweite der Resolutionen 678 (1990), 687 (1991) und 1441 (2002) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Das Ergebnis entspricht tendenziell den folgenden Beiträgen, auf die im Gutachten auch Bezug genommen wird.

Bernhard Graefrath
So demütigend wie möglich für den Irak

Die UN-Resolution 1441 zwischen Krieg und Frieden. Eine Textanalyse

Dieter Deiseroth, IALANA
Am Abgrund des Verfassungsbruchs - Eine juristische Stellungnahme

Bernhard Graefrath (Irakkongress 2.11.03)
Völkerrechtliche Aspekte der Irak-Sanktionen

Zunächst ging das Gutachten auf die Resolution 678 vom 29. 11. 1990 ein, die die wohl maßgeblichste Resolution des Golfkonfliktes darstelle. In ihr wurden die Mitgliedstaaten, die mit der Regierung Kuwaits kooperieren, für den Fall, daß sich Saddam Hussein nicht aus Kuwait zurückzieht und nicht alle dazu später verabschiedeten Resolutionen bis zum 15. 1. 1991 uneingeschränkt befolgt, ermächtigt, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um den genannten Resolutionen Geltung zu verschaffen. China enthielt sich damals der Stimme, Jemen und Kuba stimmten dagegen. Die Formulierung dieser Resolution, bot nach Ansicht der Gutachter zu Auslegungsfragen Anlaß. "Die Ermächtigung zur Einsetzung »aller erforderlichen Mittel« stellte eine Formulierung dar, die der Art und dem Umfang möglicher Militäraktionen kaum Grenzen setzte. Im übrigen stützte der Sicherheitsrat seine Tätigkeit nur durch die allgemeine Bezugnahme auf Kapitel VII (Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen) der Charta der Vereinten Nationen."

Die zweite wesentliche Resolution, war die über die formale Feuereinstellung (»formal cease-fire«) nach dem Bombenkrieg gegen den Irak: Die Resolution 687 (1991) kam am 3. 4. 1991 gegen die Stimme Kubas zustande. Sie stellt mit Genugtuung fest, daß Kuwait seine Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität zurückerhalten hat und daß seine rechtmäßige Regierung zurückgekehrt sei. Dennoch stellt sie an den Irak zahlreiche Forderungen.

Die Frage aber, ob die Ermächtigung der Resolution 678 (1990) zur Einsetzung »aller erforderlichen Mittel« auch heute noch Rechtsgrundlage für einen Militärschlag gegen den Irak sein könnte, wird verneint: "Soweit hinsichtlich der dargestellten Sach- und Rechtslage völkerrechtliche Stellungnahmen vorliegen, wird vertreten, daß die Resolution 678 (1990) als Ermächtigungsgrundlage für einen Krieg der USA gegen den Irak heute nicht mehr in Betracht komme, da der Zweck jener Ermächtigung, die Vertreibung der irakischen Aggressoren aus Kuwait, bereits 1991 erreicht worden sei "

Die Argumention der USA und Großbritannien ihre Militäraktionen gegen den Irak z.B. in den sog. "Flugverbotszonen" seien von der allgemeinen Formulierung in der Resolution 678 (1990) »to restore international peace and security in the area« gedeckt wird zurückgewiesen. Da u.a. der Sicherheitsrat in dieser Resolution 687 (1991) beschloß, »mit dieser Angelegenheit befaßt zu bleiben und alle weiteren für die Durchführung dieser Resolution und für die Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit in dem Gebiet erforderliche Schritte zu unternehmen« wäre "eine Auffassung, etwa die USA und Großbritannien dürften eigenständig über den Einsatz militärischer Mittel befinden, nicht zu vereinbaren".

Als Ergebnis sei festzuhalten, "daß der Zweck der Resolution 678 (1990), die Vertreibung der irakischen Aggressoren aus Kuwait, bereits 1991 erreicht worden" sei. Die Resolutionen 678 und 687 seien damit »verbraucht«. Sie könnten nicht nach über zehn Jahren als Ermächtigungsgrundlage für eine erneute Militäraktion gegen Irak herangezogen werden.

Bezüglich der Resolution 1441 stellen sie fest, daß "eine (auch Militärschläge umfassende) Ermächtigung der Mitgliedstaaten, »alle erforderlichen Mittel« einzusetzen" nicht ist. Sie enthalte auch "kein Mandat zu einer einseitigen Gewaltanwendung durch einen einzelnen Staat".

Weiter heißt es: "Unabhängig davon wird aus völkerrechtlicher Sicht darauf hingewiesen, daß die Verwendung der Begriffe »erhebliche Verletzung« sowie »ernsthafte Konsequenzen« nicht die »Feststellung des Sicherheitsrats, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt« gemäß Art. 39 der Charta der Vereinten Nationen ersetzen kann. Diese Feststellung des Sicherheitsrats ist Bedingung für den Gebrauch der besonderen Kompetenzen des Kapitals VII der Charta der Vereinten Nationen; sie ist in der Resolution 1441 (2002) nicht enthalten."

Als Ergebnis wird noch einmal zusammenfassend festgestellt, daß die besagten Resolutionen 678, 687 und 1441 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen "keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für ein künftiges militärisches Vorgehen gegen den Irak" sind. Es sei "vielmehr eine erneute Beratung und Beschlußfassung des Sicherheitsrates erforderlich."