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* Scheich Jawad Al Khalisi ist
Generalsekretär des »Iraqi National Foundation Congress« (INFC –
Irakischer Nationaler Gründungskongreß). Der INFC versteht sich als
politisches Sammelbecken der Opposition gegen die US-Besatzung.
F: Wie ist der Irakische Nationale Gründungskongreß (INFC) entstanden?
Die Besatzungsmächte haben den Irak militärisch, politisch und
wirtschaftlich erobert, der irakische Staat wurde zerstört. Da war es
nötig, eine nationale Organisation zu schaffen, die alle
Oppositionskräfte vereinigte. Das ist der Hauptgrund, warum wir den
INFC geschaffen haben – allerdings hatten wir schon vor der Invasion
darüber nachgedacht. Im INFC ist der Widerstand in unterschiedlichen
Formen vertreten. Wir haben zwar keinen direkten Kontakt zu
militärischen Widerstandsgruppen – sie informieren uns aber
schriftlich.
F: Was sind Ihre Forderungen?
Als erstes verlangen wir den sofortigen Rückzug der Besatzungstruppen
und die sofortige Wiederherstellung der Souveränität des Irak. Zweitens
bestehen wir auf der Einheit unseres Territoriums. Drittens meinen wir,
daß der Widerstand legitim ist – und zwar mit allen Mitteln, die nötig
sind. Viertens wenden wir uns gegen eine Aufspaltung der Bevölkerung
nach religiösen Strömungen.
F: Die USA behaupten immer wieder, der Widerstand rekrutiere sich aus
»antiirakischen« Kräften oder Anhängern der ehemaligen Baath-Partei.
Das US-Militär hat in Falludscha nach eigenen Angaben 1 065 Menschen
gefangengenommen, darunter 25 Ausländer. Der Widerstand ist also ein
irakischer Widerstand, ein Volkswiderstand, der sich immer weiter
ausdehnt. In den Widerstandsgruppen gibt es auch ehemalige Offiziere,
die ihre Fachkenntnisse einbringen. Ideologisch gesehen ist der
Widerstand gemäßigt, patriotisch und islamisch – und keineswegs durch
Baathisten geprägt.
Das heißt, daß die Iraker aus eigener Initiative gegen die Besatzung
kämpfen, wobei sie aus patriotischen und religiösen Motiven handeln. In
der Antikriegsbewegung des Westens gibt es Linke, die zwar gegen die
Besatzung sind, aber den Widerstand nicht unterstützen wollen. Sie
begründen das damit, er werde von Baathisten und Fundamentalisten
angeführt, und es dürfe nicht zugelassen werden, daß diese nach dem
Abzug der Besatzungsmächte den Irak beherrschen. Damit übernehmen sie
aber die Propaganda der Besatzungsmächte.
Mit »islamisch« meine ich die moderate Richtung – nicht das Zerrbild,
das in den westlichen Medien verbreitet wird. Es ist eine islamische
Strömung, die ihre Kultur und ihre Nation verteidigt, eine Strömung,
die keineswegs feindlich anderen Kulturen oder Nationen gegenüber
eingestellt ist.
F: Wie viele Saddam-Anhänger oder radikale »Islamisten« gibt es in der
Widerstandsbewegung?
Ich schätze mal, sie machen zwischen fünf und zehn Prozent aus, wobei
die letztere Gruppe stärker ist. Saddam-Anhänger gibt es nur wenige –
wohl aber Anhänger der Baath-Partei, die gegen Saddam sind und ihn für
all das verantwortlich machen, was geschehen ist. Sie stehen immer noch
zu den ursprünglichen Zielen der Baath-Partei. So mancher von ihnen hat
sich auch von der Baath-Partei abgekehrt, macht aber trotzdem im
Widerstand mit.
F: Welche Differenzen gibt es zwischen den Widerstandsgruppen, und wie
stehen die Chancen, eine gemeinsame Front zu bilden?
In manchen Gegenden gibt es sechs oder sieben Guerilla-Gruppen, die
sich aus der Bevölkerung gebildet haben, aber unabhängig operieren.
Nach anderthalb Jahren erleben wir, daß solche Gruppen immer enger
zusammenarbeiten. Das wird sich in den kommenden Monaten intensivieren.
Die wichtigste Unterstützung dabei kommt aus der irakischen Bevölkerung.
(Übersetzung: Gerd Feldkamp)
* Info: Ein Vertreter des INFC ist am Samstag in Berlin Referent bei
der Internationalen Irak-Konferenz. 10 bis 19 Uhr – im
Hendrik-Kraemer-Haus, Lindenstraße 85, 10969 Berlin (Kreuzberg)
www.irakkonferenz.de