Interview

Neue Friedensinitiative für Irak: Abrüstung in der ganzen Region?

jW sprach mit Hans Graf von Sponeck

Interview: Karin Leukefeld, Bagdad

junge Welt vom 29.01.2003

* Der deutsche Diplomat Hans Graf von Sponeck war von 1998 bis 2000 Leiter des humanitären Programms der Vereinten Nationen im Irak. Aus Protest gegen die anhaltenden UN-Sanktionen und ihre verheerenden Folgen für die irakische Zivilbevölkerung legte er vor drei Jahren sein Amt nieder

F: Sie sind seit einigen Tagen wieder im Irak. Welche Mission hat Sie nach Bagdad geführt?

Ich bin mit einem internationalen Team von Personen aus Südafrika, Australien und den USA in den Irak gefahren. Wir sind in Bagdad zusammengekommen, um mit der Regierung über eine Friedensinitiative zu sprechen. Ziel ist, drei politisch bedeutende ehemalige Staatsoberhäupter, die ich im Moment noch nicht namentlich nennen will, zu einer Friedensmission in den Irak zu bewegen. Die irakische Regierung soll vorab ermutigt werden, konkret darzulegen, daß sie ein neues Kapitel in den internationalen Beziehungen aufschlagen will. Irak muß hierfür zu ganz konkreten Fragen Stellung nehmen.

F: Wie lauten diese »konkreten Fragen«?

Es geht in allererster Linie darum, einen Krieg zu verhindern. Das ist auch Grund unserer Initiative. Es geht darum, von den Irakern mehr über Abrüstung zu hören, als es in Resolution 1441 vorgesehen ist. Der Irak soll zeigen, daß er gewillt ist, über diese erste Endphase der Abrüstung hinauszugehen und der Weltöffentlichkeit zu beweisen: »Wir nehmen die Resolution 687 aus dem Jahr 1991 ernst und werden unser Land weiterhin abgerüstet halten.«

Nach unseren ersten Gesprächen mit der irakischen Regierung ist deutlich geworden, daß auch Paragraph 14 der Resolution 687 ernst genommen werden muß, das heißt, auch die Nachbarn Iraks sollen abrüsten. Das weist nicht nur in Richtung Israel, vielmehr geht es um alle umliegenden Länder wie Saudi-Arabien und Iran, die eine Überkapazität an Waffen für Angriffe auf ihre Nachbarn haben. Alle sollen diese im Sinne der Resolution 687 abbauen.

Es geht bei unserer Friedensinitiative nicht nur um weitere Abrüstungsmaßnahmen, sondern auch um die Konsolidierung eines solchen Prozesses. Den Nachbarn könnte etwa durch Nichtangriffspakte klargemacht werden, daß man keine Ambitionen mehr hat, in ihre Territorien einzumarschieren.

F: Geht es jenseits der Abrüstung noch um weitere Fragen?

Es geht um die Menschenrechte. Bagdad muß deutlich machen, wie über die Zeit der Sanktionen hinaus die Lokalautonomie der Kurden aufrechterhalten werden soll. Dies sind handfeste Fragen, auf die die internationale Gemeinschaft lange schon Antworten gefordert hat. Allerdings haben unsere Gespräche keinen offiziellen Charakter. Es ist eine zivile Friedensinitiative, die eine möglicherweise wichtige Initiative, nämlich den Besuch von hochstehenden Persönlichkeiten, vorbereiten soll.

Die Weltöffentlichkeit und zunehmend auch Regierungen in der ganzen Welt haben die große Sorge, daß gegen Irak ein Krieg ohne Beweise stattfinden soll. Bagdad ist in diesen Wochen voll von Abgeordneten aus der ganzen Welt, was zeigt, daß die Welt als Gesamtheit empört ist über das, was in Washington vor sich geht und in London unterstützt wird.

Die US-amerikanische Politik weist nicht nur in die falsche Richtung, sondern führt systematisch zu kriminellen Folgen, die weder völkerrechtlich noch ethisch tragbar sind.

F: Ist die Zeit für so eine weitreichende Friedensinitiative nicht zu knapp?

Sicher ist der Zeitrahmen eng. Am Montag hat der Chef der UN-Waffeninspekteure, Hans Blix, dem UN-Sicherheitsrat seinen ersten Bericht übergeben. Präsident Bush wird in seiner Rede zur Lage der Nation sicher noch einmal betonen, man sei nicht zufrieden mit dem Report. Die Kriegstöne werden weiter präzisiert. Gegenwärtig geht man davon aus, daß die Amerikaner im UN-Sicherheitsrat ein Ultimatum stellen werden und es eine kurze Verlängerung vielleicht von einem Monat für die Inspektorenarbeit gibt. Doch das Ganze halte ich nur für einen Versuch von Washington, das Gesicht zu wahren. Tatsache ist, daß die US-Regierung auch von der eigenen Öffentlichkeit immer stärker unter Druck gesetzt wird. Die Popularitätskurve des Herrn Bush geht immer weiter nach unten, die Opposition gegen einen Krieg wächst, Abgeordnete im amerikanischen Kongreß haben sich dagegen ausgesprochen – der Prominenteste von ihnen ist Edward Kennedy. Jede weitere Verzögerung ist eine Chance für die internationale Friedensbewegung. Jeder Tag, an dem kein Krieg stattfindet, ist ein Tag für den Frieden. Wir müssen die Zeit eben nutzen.

 
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