USA auf Partnersuche

Mit der Resolution 1441 findet die Präventivkriegsstrategie der Bush-Regierung Eingang ins Völkerrecht

Joachim Guillard,
(erschien leicht gekürzt in Unsere Zeit v. 24. Januar 2003)

"Die Abwesenheit eines Beweises ist nicht der Beweis der Abwesenheit"
US-Verteidigungsminister Rumsfeld

Ursprünglich hatte die Bush-Regierung nicht vor, sich wie die erste Bush-Administration, durch die Einschaltung bzw. Instrumentalisierung des UN-Sicherheitsrat, eine gewisse völkerrechtliche Legitimation für ihre Kriegspolitik zu verschaffen. Die Falken in den USA hatten dies als Umweg, angesehen, der zu viel Zeit kosten und die nach dem 11.9. gewonnene Handlungsfreiheit unnötig einschränken würde.

Trotz intensiver Bemühungen war es ihnen aber nicht gelungen, ausreichende internationale Unterstützung für den geplanten Krieg gegen den Irak zu finden. Auch prominente Vordenker des US-Imperialismus, wie Henry Kissinger kritisierten das ungestüme und undiplomatische Vorgehen, das ein langfristige hegemoniale Stellung der USA gefährden könne, scharf. So entschloss sich die Bush-Regierung zum Weg über die UNO – allerdings auf ihre Art und nicht ohne sich die Möglichkeit eines unilateralen Vorgehens weit offen zu halten.

 Am 12. September 2002 warf George W. Bush in seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen der UNO ständiges Versagen im Umgang mit Saddam Hussein vor. Er forderte ultimativ eine neue schärfere Resolution gegen den Irak, die diesen unter Androhung militärischer Maßnahmen zur vollständigen Kooperation zwingen solle. Zur Überraschung der US-Regierung erklärte sich die irakische Regierung vier Tage später bereit, die Waffeninspektoren ohne Vorbedingungen ins Land zu lassen und ihnen freien Zugang zu allen Einrichtungen zu gewähren.

Das Angebot wurde von den USA sofort blockiert, indem Druck auf die Abrüstungskommission UNMOVIC ausgeübt wurde, ihre Arbeit nicht auf Basis der bestehenden Resolutionen aufzunehmen. Ein klarer Beweis, dass es den USA nicht um Rüstungskontrolle geht. Sie setzten nach achtwöchigen zähen Verhandlungen mit den anderen ständigen Mitgliedern schließlich eine neue, wesentlich aggressivere Resolution durch. Der Drohung, auch alleine loszuschlagen, hatten die USA zwischenzeitlich durch eine Entschließung des US-Kongresses, die den Präsidenten zu einem militärischen Vorgehen auch ohne UN-Mandat ermächtigt, starken Nachdruck verliehen.

Diese neue Resolution 1441 vom 8. November 2002 erscheint vielen als Erfolg Frankreichs und Russlands, die damit einen Krieg verhindert hätten und auch die von den USA zunächst geforderte automatische Autorisierung zur Anwendung militärischer Gewalt, sollte der Irak den auferlegten Verpflichtungen nicht nachkommen. Diese Einschätzung geht davon aus, dass die USA tatsächlich auch allein, nur mit Hilfe ihrer engsten Verbündeten losgeschlagen hätten. Das erscheint aber zweifelhaft. Schließlich hat die Bush-Administration nicht umsonst den "Umweg" über den Sicherheitsrat gewählt. Für ein unilaterales Vorgehen gibt es im Land keine Mehrheit und wichtige Verbündete würden in einem solchen Fall nur sehr eingeschränkt Unterstützung leisten. Das würde die militärischen Probleme und Risiken beträchtlich erhöhen, vor allem wären aber die politischen Risiken kaum kalkulierbar.

"Wir würden massenhaft Zivilisten töten"

Führende US-Militärs warnen ohnehin schon lange, dass sich die Eroberung des Iraks wesentlich schwieriger gestalten könnte, als vom Pentagon angenommen. Sollte zum Beispiel wider Erwarten nach intensivem Bombardement auch nur ein kleiner Teil der irakischen Verteidigungstruppen kampfbereit bleiben, "würde die Einnahme Bagdads ein blutiger Prozess." . "Wir hätten jede Menge Verluste, wir würden massenhaft Zivilisten töten und die Infrastruktur größtenteils zerstören. ... Nicht hilfreich wären die Bilder davon, die der Kanal Al-Jazeera ausstrahlen könnte", so US-General Anthony C. Zinni, früherer Chef des für die Region zuständigen "Central Command" (CENTCOM) der USA. "Auch wenn Bagdad fällt, so würde eine blutige urbane Schlacht mit einem hohen Zahl ziviler Opfer als schwerer Fehler der Bush-Administration angesehen werden – zu Hause und im Mittleren Osten" Dasselbe dürfte bzgl. der negativen Auswirkungen anhaltend hoher Ölpreise auf die Weltwirtschaft gelten.

Auch für alles, was der Besatzung folge, würden die Besatzer verantwortlich gemacht werden, insbesondere auch für die zu erwartenden katastrophalen humanitären Verhältnisse.

Mit entsprechend breiter internationaler Unterstützung sind diese Risiken und Probleme leichter beherrschbar, wie nicht zuletzt die bisherige Irakpolitik gezeigt hat. Weder 150.000 Tote im Krieg 1991 noch die unvorstellbare Zahl von anderthalb Millionen Opfer durch das Embargo hat in den maßgeblichen Teilen der Welt zu einem Sturm der Entrüstung geführt. Wenn das Vorgehen formal durch die UNO legitimiert ist und genügend Staaten eingebunden werden können, werden offensichtlich auch solche Verbrechen stillschweigend akzeptiert.

Segnet die UNO einen Präventivschlag ab?

Die Resolution 1441 brachte die Bush-Regierung daher einen wichtigen Schritt weiter. Es droht nun, dass aus dem ursprünglich geplanten unilateralen amerikanisch-britischen Militärschlag ein multilateraler, von der UNO abgesegneter Präventivkrieg gegen den Irak wird. Schon der Kern der Debatte hat sich sofort zugunsten der USA verschoben. Die zentrale Frage ist seither nicht mehr, ob es den USA gelingt, eine vom Irak ausgehende akute Bedrohung tatsächlich zu beweisen, sondern welche Versäumnisse und Verstöße des Iraks als genügend schwerwiegend anzusehen sind, um einen Angriff zu rechtfertigen.

Eine ganze Reihe in der Resolution enthaltenen wahrheitswidrigen Feststellungen stärken zudem in entscheidenden Punkten die US-amerikanische Darstellung des Konflikts. So werden z.B. die Ergebnisse von 7 Jahren Abrüstungstätigkeiten schlicht ignoriert und es wird behauptet, der Irak hätte 1998 "jede Zusammenarbeit mit UNSCOM eingestellt".

Gefährlicher aber sind Formulierungen, die eine Rechtfertigung militärischer Maßnahmen aus der Resolution 678 ableiten, mit der im November 1990 der Sicherheitsrat die von den USA geführten Allianz zum Krieg ermächtigt hatte. Mit dieser Argumentation rechtfertigen die USA schon ihre willkürlichen Luftangriffe nach Ende des Golfkriegs. Sie war von den meisten Staaten bisher nicht akzeptiert worden, könnte nun aber als Begründung dienen, warum eine explizite Ermächtigung des Sicherheitsrat zu einem neuen Krieg nicht mehr notwendig ist.

Schließlich orientiert sich die Fristsetzung für die Abgabe eines Berichts der UN-Kommission nicht an deren Zeitbedarf, sondern an dem für den Beginn eines Krieges in Frage kommenden Zeitraums.

Sehr weitgehende Vollmachten, wie das Verhören von Wissenschaftlern außerhalb des Landes sowie die einseitige Annullierung des Abkommens bzgl. der Durchsuchung sogenannter "sensibler Einrichtungen" stellen weitere bewusste Provokationen dar. Die Möglichkeit einer Aufhebung der Wirtschaftssanktionen wird im Gegensatz zu früheren Resolutionen überhaupt nicht mehr erwähnt.

Die Resolution ist so formuliert, dass sie den Eindruck vermittelt – ohne es aber explizit zu sagen – als stünde bereits fest, dass der Irak eine Bedrohung für den Weltfrieden darstelle und als genüge eine "erhebliche Verletzung" von Verpflichtungen aus früheren Resolutionen, um ein Land mit militärischen Maßnahmen zu bedrohen. So sind die angedrohten "ernsthaften Konsequenzen" ja – insbesondere angesichts des forcierten Truppenaufmarsch – zu interpretieren.

Nicht der Nachweis einer konkreten Gefahr also, sondern schon ein von den USA geäußerter Verdacht soll einen militärischen Angriff legitimieren können. Mit präventiven Schlägen eine mögliche zukünftige Bedrohung US-amerikanischer Interessen beseitigen, noch lange bevor sie konkret feststellbar ist – das ist bekanntlich auch der Kern der neuen Präventivkriegsstrategie der Bush-Regierung. Sie hat mit dieser Resolution nun – obwohl völlig unvereinbar mit der UN-Charta – auch Eingang ins Völkerrecht gefunden.

Die Einbeziehung der UNO erschwert vielen Ländern nun eine prinzipielle Ablehnung des Krieges bzw. erleichtert es Regierungen ihr Eingehen auf US-amerikanisches Drängen vor der heimischen Öffentlichkeit zu rechtfertigen. So stellten sich zwei Wochen später auf der NATO-Tagung in Prag alle NATO-Mitglieder geschlossen hinter die Forderung der Führungsmacht nach einem harten Kurs gegen den Irak.

Auch die deutsche Regierung, die ihre Wiederwahl zu einem guten Teil ihrer kriegskritischen Haltung verdankte, sagte logistische Unterstützung im Kriegsfalle zu. Die USA nutzen ohnehin schon lange ihre Einrichtungen in Deutschland und den deutschen Luftraum zur Kriegsvorbereitung. Bundeskanzler Schröder sagte den USA nun auch für den Fall eines Krieges die volle Bewegungsfreiheit im Lande zu.

Bush und seine Falken sind noch nicht am Ziel

Das Einbinden der UNO hat aber auch seinen Preis und noch sind Bush und seine Falken nicht am Ziel. Zunächst hatte Washington wohl gehofft, die provokative Resolution voller offensichtlicher Fallstricke und "konstruktiver Zweideutigkeiten" wäre für den Irak nicht annehmbar. Die verblüffende Kooperationsbereitschaft und Offenheit der irakischen Seite, mit der sie nicht gerechnet hatten, macht ihnen nun schwer zu schaffen. Ebenso die Inspektoren, die offensichtlich ihren Aufgaben sachbezogen und stets bemüht, nicht zusätzlich zu provozieren, nachgehen.

Nach wie vor sind die anderen ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und die meisten arabischen wie europäischen Verbündeten gegen einen Krieg. Vor allem die arabischen Staaten und die Verantwortlichen bei der UNO tun alles, damit den Kriegsplänen der USA aussagekräftige Erkenntnisse der Waffeninspektionen entgegengesetzt werden können. Sie drängen die irakische Führung, nichts zu tun, was den USA als Casus Belli dienen könnte – bisher mit Erfolg.

Frankreich und Russland beharren zudem darauf, dass auch nach Resolution 1441 keinesfalls jeder "schwerere Verstoß" gegen darin enthaltene Verpflichtungen, Auslöser eines Krieg sein könnte. Sie wiesen wie auch Generalsekretär Kofi Annan Versuche zurück, die irakischen Verteidigungsmaßnahmen gegen die beinahe täglich in ihren Luftraum eindringende britische und amerikanische Kampflugzeuge als "feindselige Handlungen" gegen UNO-Mitgliedstaaten werten zu lassen, also als Handlungen, die durch die Resolution 1441 mit "ernsten Konsequenzen" bedroht sind.

Konkrete Vorwürfe der USA sind nicht haltbar

Die USA konzentrieren sich nun auf den Bericht des Iraks, den dieser über alle Aktivitäten und Einrichtungen, die in irgendeiner Weise rüstungsrelevant sein könnten, abgeben musste. Sie monieren, dass das meiste Material längst bekannt sei und der 12.000 Seiten umfassenden Bericht riesige Löcher aufweise. Bereits dies würde einen "schwerwiegenden Verstoß" gegen die Verpflichtungen aus der Resolution 1441 darstellen. Die US-Regierung behauptet, Kenntnis von Lagerstätten und Anlagen zur Produktion biologischer und chemischer Waffen zu haben. Der Irak bestreitet deren Existenz, folgerichtig findet sich auch nichts Entsprechendes in seinem Dossier.

Die USA sind aber weder den mehrfachen Aufforderungen UNMOVICs nachgekommen, ihnen die Erkenntnisse der britisch-amerikanischen Geheimdienste zukommen zu lassen, noch der irakischen Einladung an die CIA doch persönlich die Kontrolleure zu den verdächtigen Orten zu führen. Die Beweislast, dass Bagdad keine Massenvernichtungswaffen herstellt, liege beim irakischen Präsidenten Saddam Hussein, hieß es in Washington, und nicht bei den USA. Doch alle konkreten Vorwürfe der USA haben sich bisher als nicht haltbar erwiesen. So gibt es keinen Hinweis dafür, dass der Irak versucht habe, sich Uran aus dem Niger zu beschaffen, auch wenn dies weiterhin als eines der Beispiele angeführt wird, was der Irak in seinem Bericht verschwiegen habe.

Solana: Krieg ist sehr schwer zu rechtfertigen

Im Gegensatz zu Washington war man in New York nach den ersten sechs Wochen der Wiederaufnahme der Waffeninspektionen mit der Zusammenarbeit mit dem Irak sehr zufrieden. Bei keiner der für die Iraker stets völlig überraschenden Kontrollen von mehr als 300 Einrichtungen seien Hinweise auf verbotene Waffen oder Rüstungsprogramme gefunden worden, auch in keiner der zuvor in den britischen und amerikanischen Dossiers genannten Stätten. Der vom Irak abgegebene Bericht habe zwar noch Lücken, so der Chef der Kommission Hans Blix, diese könnten aber noch nachträglich ergänzt werden.

Unter diesen Umständen werden zunehmend auch den engsten Verbündeten die Vorwände für einen Krieg zu dünn. Trotz vieler lukrativer Versprechungen hält die neue türkische Regierung das Pentagon nun schon seit Wochen mit ihren Zusagen hin, dem US-Militär die Nutzung ihres Territoriums für den Aufmarsch von Bodentruppen und die Nutzung ihrer Flughäfen für Angriffe auf den Irak zu gestatten. Unterdessen erörterte der türkische Ministerpräsident auf Reisen zu seinen arabischen Nachbarn Maßnahmen zur Verhinderung des drohenden Krieges.

Selbst von der britischen Regierung ist zu hören, dass sie nur mit entsprechendem Mandat des Sicherheitsrats mit in den Krieg ziehen werden. Auch eine Verlängerung der Inspektionen und die Verschiebung der Entscheidung über einen Krieg auf den Herbst hält London für denkbar. In beiden Ländern ist die Ablehnung eines Kriegs groß, in der Türkei sprechen sich neun von zehn dagegen aus. Auch in der EU wächst der Widerstand gegen einen möglichen Irak-Krieg. Wenn die UN-Inspektoren keine Beweise für Massenvernichtungswaffen fänden, wäre ein Krieg "sehr schwierig" zu rechtfertigen, sagte der EU-Chefdiplomat Javier Solana, der während des Jugoslawienkriegs NATO-Generalsekretär war. "Wir wollen keinen Krieg", betonte auch der griechische Ministerpräsident Kostas Simitis nach einer Sitzung mit der EU-Kommission am Freitag in Athen. Ziel seiner Ratspräsidentschaft sei es, eine einheitliche Haltung der 15 EU-Länder in der Irak-Frage zu erreichen.

Allein Israels Regierungschef Scharon drängt weiter auf einen baldigen Krieg.

USA wirbt nun verstärkt um Kriegskoalition

Ein negativer Ausgang der Suche nach irakischen Massenvernichtungswaffen ist für die US-Regierung kein Grund, von ihren Kriegsplänen Abstand zu nehmen. Sie werden dies vielmehr als Beleg darstellen, dass UNO-Inspektionen ungeeignet sind, Gefahren, die von Regimes wie dem Saddam Husseins ausgehen, zu begegnen. "Die Abwesenheit eines Beweises ist nicht der Beweis der Abwesenheit", hatte US-Verteidigungsminister Rumsfeld einmal geantwortet, als er darauf hingewiesen wurde, dass es keine sicheren Hinweise auf irakische Massenvernichtungswaffen gäbe.

Eine Verschiebung des Kriegsbeginns, wie vom britischen Außenminister erwogen, kommt zumindest für das Pentagon nicht in Frage. Der Inspektionsprozess stehe schließlich in einem engen Zusammenhang mit dem militärischen Zeitplan, der wegen der zu erwartenden Hitze im Sommer den Beginn der Angriffe spätestens im März vorsehe.

Die Zeit drängt, nicht nur wegen der drohenden Hitze im Kampfgebiet, sondern auch weil die Bush-Regierung noch mit anderen Problemen, wie z.B. Nord Korea, Venezuela und Afghanistan alle Hände voll zu tun hat. Seit neun Monaten konzentriert sie sich auf den Irak – sie wird daher nach Ansicht viele Beobachter entweder bald handeln oder ihre Aufmerksamkeit den anderen Themen zuwenden müssen.

In den kommenden Wochen wird die amerikanische Regierung neben den Kriegsvorbereitungen vor allem ihre diplomatischen Bemühungen fortsetzen, um doch noch eine auseichende Kriegskoalition zustande zu bringen. Sie wird nach dem Bericht von Hans Blix über die Ergebnisse der Inspektionen vor dem Sicherheitsrat am 27. Januar mit allen einer Supermacht zur Verfügung stehenden Mitteln auf eine weitere Resolution gegen den Irak drängen.

Will Fischer nicht am Katzentisch sitzen?

Ob sie Erfolg haben werden, ist schwer vorherzusagen. Auch wenn Russland, Frankreich, Deutschland und die meisten anderen europäischen Staaten gegen einen Krieg sind, der auch ihren eigenen nationalen Interessen zuwiderlaufen würde, will es sich niemand dauerhaft mit den USA verderben. Vor allem möchte kein Land in die Situation geraten, am Ende alleine in Opposition zu stehen und schließlich auch nicht, wenn die Beute verteilt wird, am Katzentisch sitzen.

Dies erklärt auch das Lavieren von Außenminister Fischer, der in einem Spiegel-Interview eine deutsche Zustimmung zu einem Krieg im UN-Sicherheitsrat, dessen Mitglied Deutschland nun für zwei Jahre ist, nicht ausschloss. Die englische Übersetzung des Interviews ließ das Auswärtige Amt anschließend in New York am Sitz der UNO breit verteilen.

Noch weiter kam er den USA mit seinen Andeutungen entgegen, für einen Krieg wäre nach der UN-Resolution 1441 keine weitere Ermächtigung mehr zwingend nötig. Die USA haben gleich die Auffassung vertreten, dass der Sicherheitsrat vor einem Militärschlag zwar noch konsultiert werden müsse, eine Entscheidung für die USA aber nicht zwingend notwendig ist.

Fischer ignoriert dabei die Positionen Russlands und Frankreichs, die betonen, dass sie mit der Resolution 1441 jedem Automatismus eine Absage erteilt haben. Er ignoriert unabhängig davon, dass die UNO-Charta prinzipiell keine militärischen Maßnahmen allein aufgrund von Verstößen gegen Abrüstungsverpflichtungen oder UN-Resolutionen rechtfertigt. Eine unmittelbare Bedrohung für die USA oder ein anderes Land durch den Irak ist aber nicht ersichtlich.

Mit Propagandacoups könnte Stimmung kippen

Denkbar – aber nicht unausweichlich – wäre nach allen bisherigen Erfahrungen ein Beschluss des Sicherheitsrats, der so formuliert ist, dass die USA eine Ermächtigung für ein militärisches Vorgehen herauslesen können, ohne dass er dies explizit ausspricht. Bei genügendem Rückhalt bei den Verbündeten könnten die USA die Ermächtigung zum Krieg auch schon, wie oben angedeutet, aus der Resolution 1441 ableiten. Nicht auszuschließen ist auch, dass es den USA durch Propagandacoups oder gezielt herbeigeführte Ereignisse gelingt, die Stimmung zumindest in Europa und Nordamerika grundsätzlich zu ihren Gunsten zu kippen.

Nicht nur der gesamten Golfregion droht also immer noch eine Eskalation militärischer Gewalt: Die weltpolitischen Konsequenzen von Bushs "Präventivkriegs-Doktrin", der hiermit der Weg bereitet werden soll und die sich auch den Einsatz atomarer Waffen vorbehält, sind nicht absehbar. Die Nobelpreisträger Nelson Mandela und Günter Grass stellen daher die wahre Bedrohungssituation richtig, wenn sie die USA als die wirkliche Bedrohung des Weltfriedens bezeichnen.

*) s. auch "Präventivschläge mit UN-Mandat? - Falschdarstellungen, Provokationen, Ungenauigkeiten - Die neue Irak-Resolution 1441 stützt die US-Politik gegen den Irak in Marxistische Blätter 1-03)