von Robert Fisk
International Socialist Review / ZNet 14.07.2003
Diese Story sollte uns alle beschämen. Sie betrifft Amerikas schandbare Gefängnislager im Irak. Es geht um Gefangene, die während ihres Verhörs verprügelt werden. Das Wort“Quelle” genießt derzeit in journalistischen Kreisen keinen guten Ruf. Die Quellen bezüglich der Geprügelten allerdings sind unanfechtbar. Es geht um 3 Gefangene, die in Bagdad niedergeschossen wurden - 2 davon“auf der Flucht”. Aber in erster Linie geht es um Qais Mohamed al-Salman. Qais al-Salman gehört zu jener Sorte Mensch, die Amerikas Abgesandter Paul Bremer und seine Sackgassen-Angestellten im Moment eigentlich nötig haben. Qais al-Salman hasste Saddam, er floh 1976 aus dem Irak, und als er nach der“Befreiung” zurückkehrte, brachte er buchstäblich eine Tasche mit Plänen mit, er wollte beim Wiederaufbau der Infrastruktur u. der Wasseraufbereitung seines Landes mithelfen. Qais al-Salman ist Ingenieur. Er war in Afrika, in Europa u. Asien tätig. Er ist dänischer Staatsbürger und spricht gut Englisch. Sogar Amerika mag er - zumindest mochte er es bis zum 6. Juni diesen Jahres. An jenem Tag war er in der Abu Nawas Street unterwegs, als sein Auto unter amerikanisches Feuer geriet. Er gibt an, er habe nirgends einen Checkpoint wahrgenommen. Die Kugeln schlagen in die Reifen ein, sein Fahrer u. ein weiterer Passagier rennen um ihr Leben. Aber Qais al-Salman stellt sich unprovokativ neben sein Fahrzeug - mit seinem dänischen Pass, seinem dänischen Führerschein u. medizinischen Unterlagen.
Aber lassen wir Qais al-Salman doch selbst zu Wort kommen, es ist seine Geschichte:“Ein ziviles Fahrzeug mit amerikanischen Soldaten näherte sich, dann weitere Soldaten in Militärfahrzeugen. Ich sagte ihnen, ich hätte keine Ahnung, was hier passierte und dass ich Wissenschaftler bin. Dennoch wurde ich gezwungen, mich auf die Straße zu legen. Sie fesselten meine Arme auf den Rücken, mit Plastik-Metall-Fesseln, dann banden sie auch meine Füße und verfrachteten mich in eines ihrer Fahrzeuge.” Der nächste Punkt seiner Geschichte betrifft den journalistischen Berufsstand:“Nach 10 Minuten im Fahrzeug brachte man mich wieder raus. Ich sah Journalisten mit Kameras. Die Amerikaner nahmen mir die Fesseln ab, dann musste ich mich wieder auf die Straße legen. Anschließend fesselten sie mir vor laufender Kamera erneut Hände und Füße und brachten mich wieder ins Fahrzeug”.
Qais al-Salmans Geschichte wäre nicht so wichtig, wäre sie nicht alltäglich im heutigen Bagdad und wäre dieses schreiende Unrecht gegenüber normalen Irakern bzw. die nicht minder schreienden Misshandlungen in den amerikanischen Gefangenenlagern hier nicht so an der Tagesordnung. Gestern kam Amnesty International nach Bagdad, um - neben Saddams monströsen Verbrechen - auch jenes Masseninternierungs-Center für Gefangene zu besichtigen, das die Amerikaner am internationalen Flughafen von Bagdad betreiben. Hier leben bis zu 2 000 Gefangenen in heißen Zelten ohne Luftzug. Dieses Behelfsgefängnis nennt sich Camp Cropper; dort kam es bereits zu zwei Ausbruchsversuchen. Unnötig zu sagen, dass beide versuchten Fluchten für die (zwei) Betreffenden tödlich endeten. Sie wurden von ihren amerikanischen Wärtern sofort erschossen. Gestern hat man Amnesty den Zugang zu Camp Cropper verwehrt. Und genau an jenen Ort, nach Camp Cropper, brachten die Amerikaner am 6. Juni Qais al-Salman. Man steckte ihn in Zelt B - ein großer Raum aus Segeltuch mit bis zu 130 Gefangenen.“Es gab dort unterschiedliche Kategorien von Leuten”, so Qais al-Salman,“hochkultivierte Leute, Ärzte, Leute von der Universität and dann der absolute Abschaum, Leute wie Tiere, Diebe, Kriminelle, sowas hatte ich noch nie gesehen”.“Am Morgen wurde ich zum Verhör gebracht, zu einem Offizier des amerikanischen Militärgeheimdiensts. Ich zeigte ihm Briefe, die bewiesen, dass ich an US-Hilfsprojekten mitarbeite. Er heftete einen Zettel an mein Hemd:‘Attentatsverdächtiger’”.
Sicher werden unter denen in Camp Cropper auch einige Attentäter sein. Dort werden sie ja alle gefangengehalten: die Guten, die Bösen und die Hässlichen - altgediente Bath-Mitglieder, vielleicht auch irakische Folterer, Plünderer, einfach jeder, der dem amerikanischen Militär irgendwie in die Quere kam. Nur“selektierte” Gefangene werden beim Verhör geprügelt. Meine Quelle, ich wiederhole, ist absolut seriös - und sie ist westlich. Qais al-Salman bekam kein Wasser, um sich zu waschen. Nachdem er auch gegenüber der zweiten Verhörperson vergebens seine Unschuld beteuerte, entschloss er sich zum Hungerstreik. Es gab keine formale Anklage gegen ihn. Die amerikanischen Gefängniswärter mussten sich an keinerlei Regeln halten.“Nach 33 Tagen im Lager wurde ich von ein paar Soldaten zurück nach Bagdad gefahren”, so Qais al-Salman.“Sie setzten mich in der Rashid Street ab. Sie gaben mir meine Dokumente und meinen dänischen Pass zurück.‘Sorry’, sagten sie”. Hierauf ging Qais zu seiner verzweifelten Mutter - sie hatte ihn längst für tot gehalten. Die Amerikaner hatten sie nicht kontaktiert - obwohl die Mutter sich in ihrer Verzweiflung an die amerikanischen Stellen gewandt hatte. Und kein Amerikaner befand es für nötig, die dänische Regierung darüber in Kenntnis zu setzen, dass man einen ihrer Staatsangehörigen festhielt. Es war wie in jenen Tagen Saddams, als Männer einfach auf den Straßen Bagdads“verschwanden”.
Robert Fisk ist Journalist des Londoner‘Independent’ u. berichtet regelmäßig über den Nahen/Mittleren Osten ( Politik / Ereignisse). Weitere Fisk-Artikel hier auf unserer ZNet-Seite bzw. auf der ZNet-Hauptseite.
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Übersetzt von: Andrea Noll
Orginalartikel: "Injustic & Iraq : United States Concentration Camps"