Aufruf dreier führender irakischer Kommunisten, den Widerstand zu unterstützen

junge Welt,13.12.2003

jW dokumentiert einen Brief von Baqer Ibrahim, Mitglied des Politbüros der Irakischen Kommunistischen Partei, an verschiedene befreundete Parteien. Der Brief wurde von zwei weiteren führenden irakischen Kommunisten unterzeichnet. Alle drei Unterzeichner sind seit ca. 50 Jahren Parteimitglieder.

Genossinnen und Genossen!

Herzliche Grüße

Nach den meisten Historikern wurde die Kommunistische Partei des Iraks im März 1934 gegründet. Die ersten Marxisten haben aber bereits zuvor in der nationalen Politik eine gewisse Rolle gespielt. Dementsprechend wurde die Organisation, die an der Gründung der Kommunistischen Partei hauptsächlich beteiligt war „Komitee für den Kampf gegen Kolonialismus und Ausbeutung“ genannt. Wir sehen hier den Zusammenhang zwischen dem Kampf für die nationale Unabhängigkeit und der Realisierung der Hoffnung des Sozialismus.

Diese beiden Aspekte sind durch die gesamte Geschichte der kommunistischen Partei untrennbar miteinander verbunden gewesen, und es ist die Pflicht der Kommunisten diesen Zusammenhang zu verteidigen. Leider haben die heutigen Führer der Kommunistischen Partei die Idee des Widerstandes gegen den Imperialismus aufgegeben und finden nun gemeinsame Interessen mit dem imperialistischen Feind, haben sich im Irak auf den Weg der Kollaboration begeben. Diese Veränderung der ideologischen Ausrichtung ist vor 13 Jahren offensichtlich geworden, schon vor dem ersten Aggressionskrieg gegen den Irak am 17. Januar 1991. Diesem Krieg war der Fall der Sowjetunion und der Rückzug der Linken von der Macht in vielen anderen Ländern vorausgegangen. Seit damals begründet die Führung der Kommunistischen Partei des Irak ihre Kollaboration mit den amerikanischen Imperialisten und ihren Partnern mit einem angeblichen gemeinsamem Interesse den Irak von der Diktatur zu befreien und die Demokratie in diesem Land aufzubauen.

Die anhaltenden Gräueltaten der Sicherheitsapparate des Regimes, die sich gegen alle fortschrittlichen politischen Dissidenten gerichtet haben, sowie der Entschluss des Regimes alle Türen für eine Verständigung zuzuschlagen, die den internen Konflikt friedlich hätte lösen können und das Ausbluten der Massen zu verhindern, haben Zustände geschaffen, die den Willen der Iraker sich der imperialistischen Invasion entgegenzustellen geschwächt haben. Die Konsequenzen dieser Entwicklung sind nun der Verlust der nationalen Unabhängigkeit und Souveränität, die Auflösung der Armee, die Zerstörung der Wirtschaft und des historischen Erbes... Der Reichtum des Landes wird nun in einer offenen internationalen Auktion verscherbelt.

Die amerikanische Führung und ihre Koalitionspartner haben ihre Ziele in diesem Krieg durch Lügen erreicht. Sie haben die verschiedensten irakischen politischen Bewegungen durch falsche Versprechungen, wie den Aufbau einer echten Demokratie, dazu gebracht den Aggressionskrieg zu unterstützen. Unter diesen politischen Bewegungen die mit den Imperialisten kollaborieren ist auch die irakische Kommunistische Partei. Das Regime ist verantwortlich für die Entfremdung vieler politischer Bewegungen, die sich entschlossen haben mit den Invasoren zusammenzuarbeiten die sich selbst zu Befreiern stilisiert haben. Aber alle politischen Parteien, die sich an der Invasion beteiligt haben sind voll verantwortlich für die Verbreitung der amerikanischen Propaganda von der Befreiung des Iraks.

Die Teilnahme der Führung der Irakischen Kommunistischen Partei am sogenannten “Übergangsrat” der Besatzer war bereits vor dem Krieg beschlossen worden. Die Führung der Kommunistischen Partei lügt, wenn sie behauptet gegen den Krieg oder die Besetzung des Landes gewesen zu sein, oder wenn sie behaupten für ein Ende dieser Besatzung einzutreten. Diese Führung, genauso wie eine Reihe anderer politischer Bewegung haben sich mit den Besatzern vereinigt und es ist daher sinnlos zu versuchen sie von einer anderen Linie zu überzeugen. Alle, die heute gegen die Besatzung kämpfen, sehen, dass diese Leute sich selbst aus der Arena des nationalen Kampfes für die Bildung einer menschlichen und demokratischen Gesellschaft verabschiedet haben.

Sie haben behauptet, dass sie eine Übereinkunft mit den Besatzern ausarbeiten würden und sie haben diesen keine Zeitbegrenzung gesetzt um abzuziehen. Das bedeutet die endlose Verlängerung der Besatzung. Nur der Kampf des Volkes mit allen vorhandenen Mitteln und vereinigt in einer nationalen Front gegen die Besatzung wird die Invasoren aus dem Land werfen können und im Irak die Möglichkeit zur Bildung einer prosperierenden demokratischen Gesellschaft schaffen.

Wir unterstützen die Forderung nach freien und demokratischen Wahlen, unter der Aufsicht von unabhängigen und international anerkannten Beobachtern, um eine Regierung zu wählen, die die Unabhängigkeit des Iraks und seine natürlichen Ressourcen beschützt und den Irak zurück in die arabische und internationale Völkergemeinschaft führt.

Wir schätzen Eure Solidarität mit dem irakischen Volk in seinem Kampf gegen Krieg, Embargo und Besatzung zutiefst. Wir danken für die tägliche politische Unterstützung um die Irakis zu unterstützen ihre Unabhängigkeit zurückzugewinnen und die Demokratie wieder zu errichten. Wir sind stolz gemeinsam zu diesem menschlichen Werk beizutragen.

Wir hoffen dass Eure Partei, so wie alle anderen fortschrittlichen und sozialistischen Parteien fortfahren den Kampf des irakischen Volkes zu unterstützen und auch Hilfe für die Bedürfnisse der Opfer von Krieg und Besatzung leisten. Wir hoffen ebenfalls, dass die Position der Irakischen Kommunistischen Partei und aller anderen Bewegungen, die die Besatzung unterstützen, verurteilt wird. Wir fordern auf, alle Kontakte mit ihnen abzubrechen und statt dessen auf die Stimmen der anderen Organisationen zu hören, die das gesamte Spektrum der irakischen Gesellschaft abdecken und sich gegen die Besatzung stellen.

Am Schluss möchte ich erklären, dass ich seit 1948 Mitglied der Irakischen Kommunistischen Partei bin und während des Wiederaufbaus der Partei nach den Massakern von 1963, 1971 und 1978 in der politischen Führung. Dieser Brief ist der Mehrheit jener irakischen Kommunisten bekannt, die seit Dekaden gegen die Diktatur gekämpft haben und heute gegen die Position der aktuellen Führung der Kommunistischen Partei stehen.

Baqer Ibrahim, Mitglied des Politbüros

Und für die Patriotisch-Demokratische Irakische Kommunistische Strömung:

Karim Achmed
Dr Khalid Al-Salam

November 2003

URL: http://www.jungewelt.de/2003/12-13/026.php