Bush-Ermächtigung

USA fordern vom UN-Sicherheitsrat unbegrenztes Besatzungsmandat und Zugriff auf Irak-Öl

Rüdiger Göbel, junge Welt vom 10.05.2003
 
Nach dem Sturz von Saddam Hussein wollen die USA die direkte Herrschaft über den Irak ausüben und die totale Kontrolle über die Öleinnahmen des besetzten Zweistromlandes übernehmen. Vom UN-Sicherheitsrat fordern sie nach dem illegalen Krieg am Golf einen entsprechenden Blankoscheck für die unbegrenzte Ausbeutung des ölreichen Landes. Am Freitag legten Vertreter Washingtons den Vereinten Nationen einen entsprechenden Entwurf für eine Irak-Resolution vor, die ihnen als Siegermacht faktisch eine zeitlich unbegrenzte Vollmacht verleihen soll, an Euphrat und Tigris nach eigenem Gusto zu handeln. Gleichzeitig wurden Pläne von US-Präsident George W. Bush bekannt, den Nahen Osten zu einer amerikanischen Freihandelszone umzubauen.

In dem Resolutionsentwurf bezeichnen sich die USA erstmals als Besatzungsmacht im Irak mit den damit verbundenen völkerrechtlichen Verpflichtungen. Die UNO soll die USA und Großbritannien als wichtigste Kriegsverbündete für zunächst zwölf Monate zur Verwaltung des Irak ermächtigen. Paragraph 23 der Resolution sieht allerdings eine beliebige Verlängerung der Besatzungsperiode vor: »wie erforderlich, bis der Sicherheitsrat anders entscheidet«. Als Vetomacht können die USA wiederum jeden Sicherheitsratsbeschluß zur Beendigung des Besatzungsmandats blockieren.

Mit der von Washington eingebrachten Resolution im Sicherheitsrat würden die 1990 verhängten Sanktionen gegen den Irak weitgehend aufgehoben. Der achtseitige Entwurf sieht vor, daß das irakische Öl wieder ohne UN-Kontrollen verkauft werden darf. Die Einkünfte aus den Ölgeschäften sollen in einen »irakischen Hilfsfonds« eingezahlt werden, dem ein Beratungsgremium zugeordnet wird. In diesem sollen auch Vertreter der UNO, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) sitzen. Entscheidungen über die Verwendung des Geldes würden allerdings von den Besatzungsmächten USA und Großbritannien – in der Resolution »Autorität« genannt – getroffen, »in Konsultation mit einer irakischen Übergangsverwaltung«, wie es heißt. Diese wiederum wird allerdings von den Besatzungsmächten eingesetzt.

Auch wenn die USA die UNO im Fall des Krieges ignorierten und gegen das Völkerrecht verstießen, brauchen sie jetzt eine Entschließung des Sicherheitsrates. Sollte die Resolution nicht angenommen werden, wäre keine irakische oder US-Behörde in Bagdad befugt, irakisches Öl zu exportieren. Die USA wollen die Resolution deshalb bis zum 3. Juni durchsetzen. An diesem Tag müßte das UN-Programm »Öl für Lebensmittel« verlängert werden. Mit dem UN-legitimierten Zugriff auf die Ölgelder wollen die USA ihre Invasion und die Besatzung sowie den Wiederaufbau des Irak finanzieren. Bereits vor dem Krieg hatte die Bush-Regierung milliardenschwere Aufträge an amerikanische Firmen vergeben.

Während Paris und Moskau bis dato auf eine starke Rolle der Vereinten Nationen im Irak drängten, um sich damit eigenen Einfluß in Bagdad zu sichern, wollen die Besatzungsmächte der UNO eine beratende Position ohne wirkliche Kompetenzen einräumen. UN-Generalsekretär Kofi Annan soll demnach einen Sonderkoordinator ernennen, der die humanitäre Hilfe und die »Wiederaufbau-Aktivitäten im Irak« überwachen dürfte – in Zusammenarbeit mit der »Autorität«. Zur Besänftigung Rußlands und Frankreichs sichern die USA in ihrem Entwurf zu, daß Verträge erfüllt werden, die im Rahmen des UN-Programms »Öl für Lebensmittel« mit der nun entmachteten irakischen Regierung abgeschlossen worden waren. Russische Firmen könnten mithin Ausrüstungen und Anlagen in einem Umfang von rund 1,5 Milliarden Dollar an den Irak liefern. Die Verträge mit französischen Firmen belaufen sich nach UN-Angaben auf rund 300 Millionen Dollar. Beim großen Deal mit dem irakischen Öl dürften sie allerdings außen vor bleiben.

Nicht vorgesehen in Washingtons Entwurf ist zudem die Rückkehr der UN-Waffeninspekteure in den Irak. Sie werden mit keinem Wort erwähnt. Dabei dürften die nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait 1990 verhängten Sanktionen entsprechend früherer UN-Resolutionen erst aufgehoben werden, wenn Inspekteure der Vereinten Nationen bestätigen, daß der Irak keine Massenvernichtungswaffen besitzt. Eine solche offizielle Bestätigung wollen die USA wiederum nicht, rechtfertigten sie doch ihre Irak-Invasion mit dem angeblichen Vorhandensein dieser Waffen.

Parallel zum US-amerikanischen Maximalprogramm in der UNO wollte Präsident Bush in einer Rede an der Universität von South Carolina am Freitag abend das Projekt einer Freihandelszone für den Nahen Osten vorstellen. Geplant sei die Aufhebung aller Handelsschranken zwischen den arabischen Ländern und den USA in den kommenden zehn Jahren, hieß es in Washington.

 
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