Bundeswehr-Verwicklung befürchtet/ABC-Übung in Kuweit ab 22. Februar
Neues Deutschland, 16.02.02
Während immer mehr Anzeichen einen bevorstehenden USA-Angriff auf Irak wahrscheinlich machen, wächst bei der Bundesregierung die Furcht, dass die Bundeswehr in einen solchen Krieg verwickelt wird.
Berlin/Washington (Agenturen/ND).
Unter strengster Geheimhaltung soll am 22. Februar in Kuweit die »Katastrophen-Übung« von 250 deutschen ABC-Abwehrkräften mit USA-Soldaten und anderen alliierten Partnern beginnen. Das Verteidigungsministerium in Berlin verweigerte am Freitag dazu jede Auskunft. Ein Sprecher erklärte lediglich: »Es ist in diesem Zusammenhang keinerlei Pressearbeit vorgesehen.« In Regierungskreisen wurde allerdings befürchtet, dass die Bundeswehr im Fall Irak in ein neues militärisches Abenteuer hineingezogen wird. Aus dem USA-Geheimdienst CIA hieß es am Freitag in Washington dazu lapidar: »Die Wolken über Irak verdunkeln sich.«
Politische Beobachter sehen vor allem in der Wandlung von USA-Außenminister Colin Powell von der Taube zum Falken einen »eindeutigen Fingerzeig«, dass sich Präsident George W. Bush mit seinen Plänen zum Militärschlag gegen Saddam Hussein endgültig durchgesetzt hat. Powell hatte bislang im Gegensatz zu seinem Verteidigungskollegen, dem Hardliner Donald Rumsfeld, stets davor gewarnt, Irak anzugreifen. Plötzlich nennt Powell Irak das »Land mit dem größten Unsicherheitsfaktor«. Doch damit nicht genug. Powell: »Wenn die internationale Gemeinschaft nicht mit uns übereinstimmt, werden wir uns nicht scheuen zu tun, was in unserem Interesse liegt.«
In der Londoner »Times« war am Freitag zu lesen, dass sich die USA darauf vorbereiten, »das Regime von Saddam Hussein zu zerstören«. Der Zeitplan dazu werde »von Amerikas strategischer und militärischer Bereitschaft bestimmt werden und von nichts anderem ganz bestimmt nicht vom Gewinsel der Gerechten aus Brüssel oder Berlin«. Wenn nötig, würden die USA allein handeln.
In Berlin wird angesichts dieser Entwicklung das Auseinanderbrechen der von Bundeskanzler Gerhard Schröder vertretenen »uneingeschränkten Solidarität« mit den USA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus befürchtet. Schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor wenigen Wochen war ein »Auseinanderdriften« der europäischen und US-amerikanischen Sicherheitsinteressen im Allgemeinen und besonders in Bezug auf Irak deutlich geworden.
Unterdessen sind die Meldungen über einen möglichen USA-Angriff gegen den Staat an Euphrat und Tigris alarmierend. Aus US-Militärkreisen wurde bestätigt, dass die Pläne für ein Einrücken einer rund 200000 Mann starken Truppe von Kuweit aus in Irak »stehen«. Wahrscheinlich seien dabei wie in Afghanistan ausschließlich die Briten »mit von der Partie«. Israel hat Washington um Vorwarnung im Fall eines Angriffs gebeten. Es befürchtet einen Vergeltungsschlag aus Bagdad und möchte sich zur Abwehr vorbereiten.
Für die Bundesregierung werde, auch wenn deutsche Soldaten auf keinen Fall in Irak mit einmarschieren werden, der neue »Kriegsfall« eine äußerst schwere Belastung, hieß es am Freitag in Berlin. Schon die »jetzige Nähe« der Bundeswehrsoldaten zu Irak beinhalte »Sprengstoff« für die Koalition und das noch zum Wahlkampf.
Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping hat auf die Frage, ob es jetzt gegen Irak gehe und der Einsatz der Spezialkräfte der Bundeswehr auf der arabischen Halbinsel damit zusammenhänge, bisher immer mit Nein geantwortet. Er hatte aber auch erklärt, die Übung zur Abwehr von ABC-Angriffen sei »Vorbereitung für den nicht absehbaren, aber auch nicht ausschließbaren Fall, dass es unter Nutzung biologischer oder chemischer Waffen zur Bedrohung der Bevölkerung kommen könnte«. Es sollte Vorsorge gegen terroristische Angriffe getroffen werden. Die USA hatten bereits im Golfkrieg 1991 vor solchen Angriffen der Iraker gewarnt.
Der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums wehrte am Freitag alle Fragen kategorisch ab. Er verwies nur darauf, die 250 Spezialsoldaten seien am 6. Februar in ihrem Standort im westfälischen Höxter verabschiedet worden und würden Ende März wieder in die Bundesrepublik zurückkehren. In Absprache mit allen Beteiligten werde über das Übungsgeschehen »keine Auskunft erteilt«. Andere Militärquellen unterstrichen, das gesamte Kontingent werde »bis auf weiteres« in Kuweit bleiben. Zum deutschen Kontingent gehören vor allem die ABC-Spürpanzer vom Typ »Fuchs«, die als ein einzigartiges rollendes Labor atomare, biologische und chemische Kampfstoffe nachweisen und umgehend die Truppe und Zivilbevölkerung warnen können.
Seit Freitag ist auch der deutsche Flottenverband am Horn von Afrika komplett. Wie der Sprecher des Verbandes in Dschibuti erklärte, sind die restlichen Schnellboote des deutschen Kontingents im Hafen des Wüstenstaates eingetroffen: »Die See-Region, die wir dort überwachen, ist von der Größe der Bundesrepublik.«
(ND 16.02.02)