Bustanis Fall

Direktor der Behörde für das Chemiewaffen-Verbot muss gehen

Stefan Ulrich, Süddeutsche Zeitung 24.4.2002

In internationalen Organisationen stehen die Amerikaner unter Generalverdacht: Ihre Verweigerungshaltung beim Klimaschutz, beim Weltstrafgericht und vielen anderen multinationalen Projekten spricht dafür, dass Washington mehr auf Alleingänge als auf Zusammenarbeit setzt. Einen weiteren Beweis für diesen Unilateralismus haben die USA auf den ersten Blick gerade in Den Haag geliefert. Dort erzwangen sie den Rausschmiss des Generaldirektors der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW), Jose Bustani, und sorgten für einen Eklat: Wohl zum ersten Mal in der Geschichte wurde der Chef einer internationalen Behörde während seiner laufenden Amtszeit entlassen.

Nach monatelangem Druck und der Drohung Washingtons, keine Beiträge mehr an die OPCW zu bezahlen, stimmten diese Woche 48 Staaten für den Entlassungsantrag, sieben votierten dagegen, 43 enthielten sich. Der brasilianische Karrierediplomat Bustani stürmte daraufhin händefuchtelnd aus der Konferenzhalle und klagte, er habe seinen Job verloren. Dies sei ein ?gefährlicher Präzedenzfall?. Aus dem US- Außenministerium hieß es dagegen: ?Fast jeder würde den Job besser machen als dieser Bursche.

"Aufgeblähtes Ego"

Bustani war 1997 zum ersten Generaldirektor der OPCW gewählt worden. Die Haager Organisation soll die Einhaltung der Chemiewaffenkonvention von 1993 überwachen, der 145Staaten beigetreten sind. Dieser Abrüstungsvertrag schreibt vor, dass bis zum Jahr 2012 alle Chemiewaffen vernichtet werden. Die etwa 200 Inspektoren der OPCW kontrollieren deswegen Labors, Fabriken und Waffenlager in den Vertragsstaaten.

In letzter Zeit mussten aber viele Inspektionen aus Geldmangel unterbleiben. Die Amerikaner halten Bustani Missmanagement vor. Statt sich auf die Überwachungsaufgabe zu konzentrieren, habe der Brasilianer mit dem ?aufgeblähten Ego? versucht, immer mehr Kompetenzen an sich zu ziehen. So habe seine Organisation die Nutzung chemischer Technologien in Entwicklungsländern gefördert, ein Unterfangen, das die USA nach dem 11.September mit wachsender Missbilligung verfolgten. Zudem werden dem Diplomaten Fehler in der Personalpolitik vorgeworfen. Die OPCW handelte sich deshalb Rüffel der Internationalen Arbeitsorganisation ein.

Besonders verärgerte die Amerikaner, dass die OPCW unter Bustani Chemieanlagen in Ländern wie Amerika, Japan, Italien und Deutschland besonders eifrig unter die Lupe nahm. ?Warum macht der das nicht in Russland??, fragte man sich nicht nur in Washington. Und dann war da noch der Irak-Komplex. Der Brasilianer bemühte sich eifrig, Saddam Hussein dazu zu bewegen, der Chemiewaffenkonvention beizutreten und Haager Inspektoren ins Land zu lassen. Die USA argwöhnen, solche Kontrolleure könnten lasch auftreten und die Irak- Politik der Vereinigten Staaten und des UN-Sicherheitsrats konterkarieren.

Bustani selbst suggeriert, Washington fühle sich von ihm in seinen Kriegsplänen gegen Bagdad behindert. Seine Entlassung wertet er als ?Staatsstreich? und als Versuch der Großmacht, die Chemiewaffen-Organisation unter Kuratel zu nehmen. ?Ich habe niemals Anweisungen von irgendeinem Mitgliedstaat entgegengenommen?, schrieb er in einem Brief an etliche Außenminister, ?und mein wahrlich unabhängiger und multilateraler Führungsstil ist wahrscheinlich mein schwerstes Verbrechen.?

Dagegen spricht, dass die meisten EU-Staaten, darunter Deutschland, den Vorstoß der Amerikaner unterstützten, obwohl sie sonst auf internationalem Parkett immer öfter gegen Washington Stellung beziehen. In EU-Kreisen heißt es, der Brasilianer versuche, sich zum politischen Opfer zu machen. So wolle er von seinem ?totalen Missmanagement und dem großen Frust in der Organisation? ablenken.

Noch diese Woche soll ein anderer Lateinamerikaner an die Spitze der OPCW gewählt werden, einer Organisation, der im Kampf gegen den Terror eine wichtige Rolle zukommen sollte. Durch kräftige Unterstützung des neuen Mannes können die Amerikaner beweisen, dass sie bei Bustanis Sturz tatsächlich nicht aus unilateralistischen Motiven handelten.