Vizepremier Tarik Aziz: Kurdenführer nicht an Abspaltung interessiert
Von Rainer Rupp, Bagdad (Neues Deutschland 26.04.02)
Den USA geht es bei ihren Drohungen gegen Irak und Iran um nichts anderes als um die Kontrolle der Ölreserven am Golf, erklärte Iraks Vizepremier Tarik Aziz auf einem Treffen in Bagdad.
Öffentliche Auftritte der politischen Führung des Irak sind in letzter Zeit selten geworden. Um so verständlicher, dass neben CNN und anderen Sendern auch das ARD-Team aus Kairo anwesend war, als am Donnerstag Abend in Bagdad Iraks Vizepremier Tarik Aziz im Hotel Meridien-Palestine in Bagdad eine 121-köpfige internationale Delegation aus 17 Ländern – organisiert von der belgischen Vereinigung »SOS-Kinder im Irak« willkommen hieß. Spätestens seit den jüngsten Ereignissen in Palästina und Venezuela, erklärte Aziz, müsste es für die ganze Welt klar sein, dass es Washington bei seiner kriegerischen Haltung gegenüber Irak und Iran »weder um die Menschenrechte noch um die Demokratie«, sondern um nichts anderes als um die »totale Kontrolle über die Ölreserven der Golfstaaten« gehe.
Die USA behaupteten, Irak stelle »eine Bedrohung für seine Nachbarn dar«. Tatsache sei aber, dass Bagdad seine Beziehungen mit Kuweit normalisiert und sich mit Saudi-Arabien ausgesöhnt habe. Auch an der Verbesserung der Beziehungen zu den anderen Nachbarn wie die Türkei, Syrien, Jordanien und Iran habe Bagdad mit Erfolg gearbeitet. Daher werde es den USA »diesmal nicht gelingen, eine internationale Allianz gegen Irak aufzubauen«. Auf die Frage, ob die USA – dem afghanischen Beispiel folgend – eine »Nordallianz« in Irak zu Stande bringen könnten, antwortete Aziz: »Absolut nicht.« Auch die Kurden würden sich dafür (als US-amerikanische Söldner auf nichtkurdischem Gebiet zu kämpfen) nicht hergeben. Sowohl die Schiiten als auch die Kurden »fühlten sich viel zu sehr als Irakis«.
Selbst die beiden Anführer der großen kurdischen Fraktionen hätten in jüngsten Sondierungsgesprächen wissen lassen, dass sie »an einer Abspaltung ihrer Gebiete vom restlichen Irak nicht interessiert« seien. Statt dessen diskutiere man derzeit die Möglichkeit einer Föderation, in welcher der Zentralstaat in Bagdad nur für bestimmte Bereiche für das ganze Land zuständig wäre.
»Warum ist die irakische Regierung nicht dazu bereit, die UNO-Waffeninspekteure wieder ins Land zu lassen?« wollte ein ausländischer Journalist wissen. Die USA-Regierung unterstreiche es selbst immer wieder, dass es »ihr Hauptziel ist, in Bagdad eine andere Regierung einzusetzen«, gab Vizepremier Aziz zur Antwort. Das Thema der Waffeninspektionen würde von Washington lediglich instrumentalisiert, um mit Hilfe einer Inspektionskrise, die – so die Erfahrungen der Vergangenheit – von den USA jeder Zeit künstlich geschaffenen werden kann, »einen neuen Krieg vor der Weltöffentlichkeit zu rechtfertigen«. Außerdem werde man nicht erneut US-amerikanische Spione ins Land lassen, die unter dem Vorwand der UNO-Inspektionen die nächsten Ziele für die USA-Luftwaffe auskundschaften, wie das nachweislich in der Vergangenheit geschehen sei.
»Wenn die Waffeninspektionen jedoch Gegenstand ernsthafter Sorgen anderen Staaten« sein würden, dann sei man bereit, diesen entgegen zu kommen, sagte der Vizepremier und verwies damit auf das jüngste Angebot Iraks, Waffeninspektoren aus anderen Ländern als den Vereinigetn Staaten ins Land zu lassen – sogar aus Großbritannien.
(Neues Deutschland 26.04.02)