Keine Beweise gegen Bagdad
US-Geheimdienst CIA: Irak plante keine terroristischen Aktionen gegen USA
Rainer Rupp, junge Welt vom 07.02.2002
 
»Die CIA hat keinerlei Beweise dafür, daß Irak seit nunmehr fast einem Jahrzehnt irgendwelche terroristische Operationen gegen die Vereinigten Staaten unternommen hat.« Mit diesen Worten begann am Mittwoch ein Leitartikel in der New York Times. Nach Aussage mehrerer in dem amerikanischen Nachrichtendienst tätigen Beamten sei die CIA außerdem zu der Überzeugung gelangt, »daß Präsident Saddam Hussein keine chemischen oder biologischen Waffen, weder an die Al Qaida noch an sonstige terroristische Gruppierungen, gegeben hat«, hieß es weiter.

Der detaillierte Artikel in der US-Zeitung signalisiert, daß sich der Richtungskampf in der amerikanischen Regierung weiter zuspitzt, wie der »Krieg gegen den Terror« fortgeführt werden soll. Demnach hat das Außenministerium mit Ex-General Colin Powell an der Spitze von der CIA Unterstützung gegen die Kriegsfraktion in der US-Administration bekommen, die lieber heute denn morgen ganze »Staaten beenden« möchte, wie es der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz unlängst formuliert hatte.

Den Schießwütigen in der US-Regierung, allen voran Pentagonchef Donald Rumsfeld und dessen Vize Wolfowitz, die Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice sowie der Sonderberater für Sicherheitsfragen, Richard Perle,wurde zumindest teilweise die Grundlage entzogen, auf der sie bisher ihre Kriegspläne gegen Bagdad gerechtfertigt haben. Verwunderlich ist das nicht, denn in der Vergangenheit stimmten bei ähnlich kritischen Situationen die Lageeinschätzungen der CIA-Analytiker eher mit denen des Außenministeriums überein als mit denen des Pentagon. Anders als die Militärplaner ist das diplomatische Korps des US-Außenministeriums zumindest bemüht, bei seiner Politikplanung den komplizierten Zusammenhängen der realexistierenden Welt gerecht zu werden. Folglich hat man in Powells Department of State längst erkannt, welch immense und nachhaltige Schäden die Fortsetzung der derzeitigen US-Kriegspolitik rund um die Welt selbst bei den traditionell mit Washington verbündeten Staaten zufügen würde.

CIA-Direktor George J. Tenet sollte am Mittwoch vor dem Geheimdienstausschuß des Senats über die globale Bedrohung der USA berichten. Im Vorfeld seiner Ausführungen hatten offensichtlich hochrangige Geheimdienstmitarbeiter in einer gezielten Indiskretion bereits die New York Times über den derzeitigen Stand der Erkenntnisse in bezug auf Irak informiert. Offensichtlich auch in der Absicht, den Geheimdienstchef auf die innerhalb der Behörde und womöglich mit dem Außenminister abgesprochene Linie festzulegen.

Unter Berufung auf die CIA berichtete die New York Times, daß »der Plan zur Ermordung von Präsident Bush Senior anläßlich seine Besuches 1993 in Kuwait die letzte terroristische Operation des Irak gegen die USA« gewesen sei. Das angebliche Mordkomplott sei, so die CIA, rechtzeitig aufgedeckt worden. Ein Anschlag hat nicht stattgefunden. Seither aber sei der irakische Präsident Saddam Hussein aus Furcht vor Entdeckung nicht mehr gewillt, Terroroperationen gegen die USA in Erwägung zu ziehen. Die in Folge der Terroranschläge vom 11. September weit verbreitete Spekulation über eine mögliche Verbindung in den Irak basiere weitgehend auf Berichten über ein angebliches Treffen des mutmaßlichen Selbstmordpiloten Mohammed Atta mit dem irakischen Geheimdienstoffizier Ahmed Khalil Ibrahim Samir al-Ani in Prag. Diese Berichte hätten lange im Zentrum intensivster Nachforschungen der US-Dienste gestanden.

Die Meinungen über die Bedeutung des Treffens und ob es im Zusammenhang mit dem Anschlag auf das World Trade Center stand, scheinen allerdings auseinander zu gehen. Etliche der von der New York Times zitierten CIA-Mitarbeiter bezweifeln sogar, ob das Treffen überhaupt stattgefunden habe. Aber selbst wenn es stattgefunden hätte, sei es unwahrscheinlich, daß Irak etwas mit dem Anschlag in New York zu tun hatte. Hussein hätte eine solch höchst gefährliche und sensible Aufgabe niemals einem Geheimdienstoffizier von solch niedrigem Rang anvertraut.

 
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