Kommentar

Kriegsdiplomatie

Bush-Vize im Nahen Osten - als Vermittler eine glatte Fehlbesetzung

Werner Pirker, junge Welt vom 23.03.2002
 
Der amerikanische Vizepräsident Dick Cheney befindet sich gerade auf einer Good-Will-Tour durch den Nahen Osten. Auf einer Good-Will-Tour für den Krieg. Doch nirgendwo ist man über seinen Besuch sonderlich erfreut.

In Ankara ist es gar zum Eklat gekommen. Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit machte dem Amerikaner in energischen Worten klar, daß ein Krieg gegen den Irak für die Türkei desaströse Folgen haben könnte. Ein Zerfall des Irak würde die ganze Region destabilisieren, die arabische Welt könnte in einen Zustand der Rebellion geraten. Außerdem müsse der Nahost-Konflikt endlich gelöst werden. Ecevit meldete zudem starke Zweifel an, daß der Irak überhaupt noch über Massenvernichtungswaffen verfüge. Als gewichtiges Argument führte Ecevit an, ein Krieg wäre für die Türkei wirtschaftlich äußerst verlustreich, sowohl was den Tourismus betrifft als auch hinsichtlich der Handelsbeziehungen mit dem Irak. Vor allem aber befürchtet Ankara, daß aus einem zerstörten Irak der kurdische Faktor gestärkt hervorgehen würde, im schlimmsten Fall als unabhängiger Staat, woraus sich auch für die türkischen Kurden plötzlich wieder völlig neue Perspektiven ergeben könnten.

Nach dem Gespräch stellt sich Ecevit solo vor die Presse und erklärte, daß es keinen Krieg gegen den Irak geben werde. Cheney habe deutlich zum Ausdruck gebracht, daß von einer Operation gegen den Irak in absehbarer Zeit nicht die Rede sein könne. Daß der Türke den Krieg kurzerhand absagte, brachte den Amerikaner zur Weißglut. Er ließ die angekündigte Pressekonferenz platzen und reiste vorzeitig ab.

Als Diplomaten sind die Bush-Männer glatte Fehlbesetzungen. Ein Powell macht noch keine Außenpolitik, die die Bezeichnung Diplomatie verdienen würde. Die engere Bush-Umgebung gefällt sich in der Rolle ordinärer Erpresser. Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns, und wer gegen uns ist, dem gnade Gott. Die unter Powells Federführung verfaßte UN-Resolution, in der Palästina erstmals als Staat erwähnt wurde, war als Sympathiebekundung an die arabische Staatenwelt gedacht, die es im Falle eines Krieges gegen den Irak ruhigzustellen gilt. Cheneys Auftritt in Israel hat das wieder zunichte gemacht. Das Engagement der USA für die Sicherheit Israels sei »absolut unerschütterlich«, erklärte er. Ein Treffen mit Arafat lehnte er ab. Ein solches werde erst nach der Beendigung palästinensischer Gewalt stattfinden. Die Ursache der Gewalt aber liegt in Israels »Sicherheitspolitik«, in der illegalen Okkupation palästinensischer Territorien.

Auch in Saudi-Arabien mußte sich der Bush-Vize sagen lassen, daß ein Krieg gegen den Irak die Region destabilisieren würde. Doch im Ernstfall würden die Ölscheichs den USA ihre Unterstützung kaum versagen. Als Geburtsland des islamischen Fundamentalismus hegt Saudi-Arabien eine tiefe Feindschaft gegen das laizistische, arabisch-nationalistische Land an den zwei Strömen, in dem der politische Islamismus rigoros bekämpft wird. Der als Feldzug gegen den islamistischen Terror deklarierte Krieg der USA ist um immer neue Feindbilder nicht verlegen. The War must go on. Und weil die Al Qaida nicht endlos als die Menschheit bedrohender Feind herhalten kann, ist der »Schurkenstaat« Irak zum neuen Kriegsziel auserkoren worden.

Der Krieg als Beschäftigungstherapie einer Supermacht löst zunehmend Irritationen aus. Besonders in Moskau. Die Focussierung des »Antiterrorkrieges« auf Afghanistan lag auch im strategischen Interesse Rußlands, das der islamistischen Bedrohung am stärksten ausgesetzt war. In einen Krieg gegen den traditionellen Verbündeten Irak will sich Rußland aber nicht hineinziehen lassen. Zwar verlangt auch Putin von Saddam die Zulassung von Waffeninspektionen und will in dieser Frage mit Washington kooperieren. Doch dürfte die Bush-Administration - wie die Kriegsallianz in Rambouillet gegenüber Serbien - dem Irak Bedingungen diktieren, die ihm einen friedlichen Ausweg versperren.

Moskau wird sich hintergangen fühlen und auf die nächste Gelegenheit zur Kooperation warten. Und Berlin? Auch da hofft man, daß die irakische Regierung Inspektionen zuläßt. Und darauf, vor einem Irak-Einsatz konsultiert zu werden, wie Schröder sagte. Um dann wieder »Solidarität mit den USA« zu üben? Doch die fällt auch Rot-Grün immer schwerer.

 
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