USA versus Irak
Die Wut der Freunde wächst
Die mögliche Ausweitung des Anti-Terror-Feldzugs auf den Irak erzürnt nicht nur die West-Europäer. Nun hat der russische Außenminister Igor Iwanow US-Präsident George W. Bush vor einem Bruch des Völkerrechts gewarnt.
Hamburg - Seit sicher zu sein scheint, dass die USA planen, noch in diesem Jahr einen massiven Angriff auf den Irak zu führen mit dem Ziel, Saddam Hussein zu stürzen, wird die Liste der US-Kritiker immer länger. Nach den Anschlägen vom 11. September wetteiferten die europäischen Regierungen darin, wer sich mit dem Vorgehen der Amerikaner solidarischer zeigen würde.
Nun, nach dem schnellen Erfolg in Afghanistan, mehren sich die Stimmen, die von einer Ausweitung des "Feldzuges gegen den Terror" warnen. Zunächst mahnte Javier Solana, EU-Koordinator für die Außenpolitik, an, die US-Regierung solle nicht einem "globalen Unilateralismus" verfallen. Die Supermacht solle nicht alle Probleme auf der Welt allein lösen wollen.
Der bisher als einer der Getreuesten unter den Getreuen der USA in Erscheinung getretene deutsche Außenminister Joschka Fischer wagte, die Bush-Regierung leise zu kritisieren: Iran, den Irak und Nordkorea als "Achse des Bösen" zu bezeichnen, sei nicht die "Art, wie wir Politik anlegen", sagte Fischer.
Im Laufe der Woche arbeiteten die Europäer zunehmend an ihrem neu gewonnenen Selbstvertrauen. Zuletzt verstärkte EU-Außenkommissar Chris Patten seine Kritik am außenpolitischen Kurs der US-Regierung. Die derzeitige Neigung der USA, sich zu isolieren und einsame Entscheidungen ohne Absprache mit ihren Verbündeten zu treffen, sei "gefährlich", "ineffektiv" und "völlig fehlgeleitet".
Und auch aus Moskau wogten die Warnungen es immer kräftiger gen Washington: Der russische Außenminister Igor Iwanow kritisierte Bushs Begriff von der "Achse des Bösen" als "Erbe des Kalten Kriegs". "Jede Aktion gegen Terroristen muss auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen stehen", sagte Iwanow der französischen Tageszeitung "Le Figaro".
Jede Einzelaktion eines Landes gegen den Terror würde die gemeinsamen Bemühungen zunichte machen, sagte der Politiker, der am Freitag in Paris mit Außenminister Hubert Védrine zusammentraf. Zur russischen Reaktion auf einen eventuellen amerikanischen Militärschlag gegen den Irak meinte Iwanow, dass Afghanistan nicht als "systematischer Präzedenzfall" dienen dürfe.
Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin das Szenario eines US-Angriffs auf den Irak kritisiert. Bei einem Treffen mit dem kanadischen Premier Jean Chrétien in Moskau sagte Putin, der Kampf gegen den internationalen Terror müsse in Zukunft unter der Schirmherrschaft der Uno, nicht der USA stattfinden.
Auch der kanadische Außenminister Bill Graham krittelte an den Plänen der USA herum. Es müsse nach den Spielregeln der internationalen Politik einen guten Grund dafür geben, einen souveränen Staat anzugreifen. Alles andere wäre Chaos.
US-Außenminister Colin Powell war die Woche über vor allem damit beschäftigt, die Alliierten zu besänftigen und gleichzeitig die Position seines Präsidenten stark zu verteidigen. Er sagte zu, dass die befreundeten Staaten konsultiert würden, dass sich die USA jedoch alle Optionen offen halten werden. Einen Angriff auf den Irak würden sie auch im Alleingang machen, wenn sie es für nötig hielten.
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