SPIEGEL ONLINE - 14. Februar 2002
Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, wann die USA den Irak angreifen werden. Während US-Außenminister Colin Powell davon redet, dass es keinen baldigen Angriff auf den Irak geben werde, laufen die Vorbereitungen des Pentagon und der CIA angeblich auf Hochtouren. Bis zu 200.000 Mann sollen den Irak angreifen, um Diktator Saddam Hussein zu stürzen.
Hamburg - Die britische Zeitung "Guardian" will aus diplomatischen Kreisen und aus US-Quellen erfahren haben, dass es im Laufe des Jahres zu einem Angriff auf den Irak kommen werde. Ein Vertreter des britischen Außenministeriums wird mit den Worten zitiert, eine militärische Intervention sei nur eine "Frage von Monaten".
Großbritanniens Verteidigungsminister Geoff Hoon will von den Angriffsplänen nichts wissen. Er sagte gegenüber der BBC, sein Land sei über Kriegsvorbereitungen der USA gegen den Irak nicht informiert. Er wäre "sehr überrascht, wenn irgendeine große Operation ohne umfassende Konsultationen mit dem Vereinigten Königreich stattfinden würde."
Der "Guardian" berichtet weiter, Ziel des Krieges sei es, Saddam Hussein zu stürzen. Ein Kreis enger Berater Bushs - im "Guardian" als "Kriegskabinett" bezeichnet - sei Ende Januar zur Überzeugung gekommen, dass die "Politik der Eindämmung" gegenüber dem Irak fehlgeschlagen sei. Nun müssten offensivere Schritte unternommen werden.
Verdeckter und offener Krieg
Ermittler, die mit den Vorbereitungen der CIA vertraut seien, hätten mitgeteilt, der Generalstab habe Bush vor einigen Tagen sowohl Pläne über einen verdeckten als auch über einen offen geführten Krieg gegen den Irak vorgelegt.
Obwohl US-Außenminister Colin Powell jüngst noch abstritt, es lägen konkrete Angriffspläne unterzeichnungsreif auf Bushs Schreibtisch, meldete sich Bush selbst zu Wort: "Ich werde mir alle Möglichkeiten vorbehalten. Saddam Hussein muss verstehen, dass ich mit der Verteidigung unseres Landes Ernst mache."
Angeblich wollen die USA 200.000 Mann zum Einsatz bringen. Die Truppe soll von Kuweit aus in den Irak eindringen. Im Golf seien bereits Vorauskommandos im Einsatz, die bereits militärische Zentren eingerichtet haben, um später die Truppenbewegungen zu koordinieren. Das Hauptquartier der Luftwaffe befinde sich in Saudi-Arabien, das der Bodentruppen in Kuweit und das der Navy in Bahrein.
US-Manöver mit Israel und der Türkei
Es gibt weitere Indizien, dass die Zeichen auf Sturm stehen. Die USA, Israel und die Türkei beabsichtigen noch in diesem Jahr gemeinsame Manöver unter dem Code "Anatolischer Adler" abzuhalten, die hauptsächlich vom Luftwaffenstützpunkt Konya in der Türkei aus geführt werden sollen. Konya könnte damit langfristig neben Incirlik zu einem zweiten Ausgangspunkt für Luftangriffe auf den Nordirak werden.
Neben Plänen für offen geführte Angriffe, versuchen die USA auch, Verbündete in der Region zu finden. Der CIA soll bereits Ausbilder und Spezialeinheiten nach Kuweit geschickt haben mit dem Ziel, kurdische und schiitische Kämpfer zu rekrutieren.
Hauptziel der Amerikaner ist es offenbar, Massenvernichtungsmittel der Iraker zu zerstören und deren weitere Produktion zu unterbinden. Genau von diesen geht auch die Gefahr im Falle eines amerikanischen Angriffs aus. Der Irak könnte Israel mit chemischen und biologischen Waffen angreifen, und auch amerikanische Soldaten könnten in großer Zahl getötet werden.
Im Golfkrieg 1991 waren Truppen mit einer Stärke von 500.000 Mann gegen den Irak im Einsatz. Der Irak hat nach Schätzung von Verteidigungsexperten 350.000 bis 400.000 Mann unter Waffen.
Fischer: Hussein muss Uno-Resolutionen erfüllen
Die Kritik aus Europa über die neuen Angriffspläne der Amerikaner verstummt nicht. Der französische Verteidigungsminister Alain Richard sieht darin "keine Lösung". Richard kritisierte auch das Uno-Embargo, das vor allem die Zivilbevölkerung treffe. Er bekräftigte zudem, dass Frankreich "und alle Europäer" die Vorstellung Bushs von einer "Achse des Bösen" ablehnten.
Bundesaußenminister Joschka Fischer hat Hussein während seiner Nahostreise aufgefordert, die 1998 ausgewiesenen Waffeninspektoren der Vereinten Nationen wieder ins Land zu lassen. Bagdad müsse alle Resolutionen des Uno-Sicherheitsrates erfüllen, erklärte Fischer nach einem Treffen mit Präsident Husni Mubarak im ägyptischen Ferienort Scharm el Scheich.
Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit hatte den irakischen Präsidenten vor einigen Tagen ebenfalls aufgefordert, die Kontrolleure ins Land zu lassen, um so einen möglichen amerikanischen Angriff zu verhindern.
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