junge Welt vom 04.02.2002
 
Ganze fünf Minuten im Parlament
Bundestag diskutierte vor leeren Rängen PDS-Antrag gegen Irak-Sanktionen
Karin Leukefeld
 
Ein Glanzstück parlamentarischer Demokratie zeigte am Freitag vergangener Woche der Deutsche Bundestag. Auf der Tagesordnung stand ein Antrag der PDS, die Sanktionen gegen den Irak aufzuheben. Eine halbe Stunde Aussprache sah das Protokoll vor, sie dauerte nur wenig mehr als fünf Minuten. Soviel Redezeit stand dem Abgeordneten Wolfgang Gehrcke als Vertreter der antragstellenden Partei zu. Gehrke sprach vor nahezu leerem Haus, die Abgeordneten hatten sich bereits ins Wochenende verabschiedet. Auch Christoph Moosbauer (SPD), Rita Grießhaber (Grüne, Ulrich Irmer (FDP) sowie Joachim Hörster von der CDU/CSU-Fraktion, die als Berichterstatter ihrer Parteien sprechen sollten, hatten ihre Reden vorab zu Protokoll gegeben. Der Antrag wurde abgelehnt.

Der erklärte Embargogegner Gehrcke kritisierte die Sanktionen, die sich wesentlich »gegen die Zivilbevölkerung« richteten. »500000 bis 600000 Kinder sind an den Folgen des Embargos gestorben; die Arbeitslosigkeit beträgt mittlerweile 60 bis 75 Prozent; die Einkommen sind um zwei Drittel zurückgegangen; das Bildungswesen ist fast zusammengebrochen.« Das eigentliche Ziel, den Irak militärisch zu schwächen, sei hingegen nicht erreicht worden. Saddam Hussein, der innenpolitisch ein repressives Regime führe, sei sogar gestärkt. Gehrcke betonte, daß »ständige Drohungen der USA«, die hohe Zahl ausländischer Truppen, darunter auch »die Stationierung deutscher ABC-Spürpanzer in Kuwait« das Klima verschärften. Die USA seien unglaubwürdig, so Gehrcke. Sie fordere vom Irak die Überprüfung von Massenvernichtungswaffen, während sie sich »gleichzeitig bei der Auseinandersetzung über das Zusatzprotokoll der Biowaffenkonvention« weigere, »internationale Inspekteure ins eigene Land zu lassen.«

Die Forderung nach Aufhebung aller »nichtmilitärischen Sanktionen«, wird von den anderen Parteien geteilt. Christoph Moosbauer (SPD) äußerte sogar »große Sympathie für die Grundanliegen des Antrages«. Verantwortlich für die katastrophale soziale Lage im Irak seien aber nicht die Sanktionen. »Im Irak müßte niemand hungern, wenn Saddam Hussein das nicht wollte«, so Moosbauer.

Rita Grießhaber bezeichnete die militärischen Sanktionen als »einzige Möglichkeit, (...) Druck auf das Regime auszuüben«. Einen neuen Krieg gegen den Irak lehnten alle Redner ab. Die deutschen ABC-Spürpanzer in Kuwait dienten nur einer »internationalen Katastrophenschutzübung mehrerer Staaten«, wie Grießhaber ein geplantes Manöver in der Golfregion bezeichnete.

 
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