UNO:   Bald wieder Waffeninspektoren in Irak?
Bagdads Zustimmung würde den USA-Interventionsplänen zuwiderlaufen 
 
Von Wolfgang Kötter, ND vom 03.07.02
 
Im Wiener UNO-Zentrum wird ab morgen über die Rückkehr von Waffeninspektoren zur Kontrolle der gegen Irak verhängten Abrüstungsauflagen verhandelt.  

Nach dem Golfkrieg hatte der UNO-Sicherheitsrat im Frühjahr 1991 eine Sonderkommission (UNSCOM) eingesetzt. Sie sollte überwachen, dass Irak alle biologischen und chemischen Waffen sowie Raketen mit einer Reichweite von über 150 km zerstört, ebenso die entsprechenden Forschungs- und Produktionsanlagen. Die illegal betriebene Entwicklung von Kernwaffen wurde gestoppt und das waffenfähige Material vernichtet.
Allerdings haben seit Dezember 1998, als unmittelbar vor anglo-amerikanischen Luftangriffen alle Inspektoren abgezogen wurden, keine UNO-Abrüstungskontrollen im Land mehr stattgefunden. Irak begründete damals seine Verweigerung der Wiedereinreise mit der später bestätigten Spionagetätigkeit einzelner Kommissionsmitarbeiter für USA-Geheimdienste. Da der neutrale Status der Kontrolleure damit diskreditiert war, löste der Sicherheitsrat die Kommission auf.

Nun soll ein neuer Anlauf unternommen werden. UNO-Generalsekretär Kofi Annan will in der Wiener Verhandlungsrunde mit Iraks Außenminister Nadschi Sabri die zwanzig Vorbedingungen aus dem Weg räumen, mit denen Bagdad die Wiederaufnahme internationaler Inspektionen bisher blockiert. An seiner Seite stehen Hans Blix, Leiter der neu gebildeten UNO-Kontrollkommission (UNMOVIC), und Mohamed El-Baradei, Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA).

Zwar behauptet Iraks Regierung, alle Abrüstungsverpflichtungen seien bereits erfüllt, doch bisherige Erfahrungen signalisieren zumindest Überprüfungsbedarf. Irak hatte nicht nur drei internationale Abrüstungsverträge gebrochen, sondern wiederholt erwiesen sich auch »endgültige und vollständige« Berichte über illegale Waffenprogramme als unwahr. Mehrfach verurteilte der UNO-Sicherheitsrat die Kooperationsunwilligkeit Bagdads. Experten der Washingtoner Carnegie Stiftung schätzen ein, dass die permanente Behinderung der Inspektionen durch die irakischen Behörden darauf abzielte, möglichst viele Komponenten der verbotenen Rüstungsprojekte zu erhalten.

Obwohl Mitglied des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages, hatte Irak rechtswidrig an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet. Nach Einschätzung der IAEA wurden bis 1998 alle militärisch nutzbaren Nuklearanlagen liquidiert. Über Aktivitäten während der kontrollfreien Zeit gibt es allerdings keine zuverlässigen Informationen, denn seither erlaubte Bagdad lediglich Routinekontrollen der zivilen Nuklearindustrie.

Irak produzierte auch mehrere Arten von Biowaffen und verstieß damit gegen die bereits 1972 unterzeichnete Biowaffenkonvention. Zunächst leugnete Bagdad rundheraus alle verbotenen Aktivitäten. Erst als der verantwortliche Rüstungskoordinator, Generalleutnant Hussein Kamal, 1995 mit brisanten Informationen nach Jordanien geflohenen war, wurde die geheime Herstellung biologischer Krankheitserreger eingeräumt. Dazu gehörten das supergiftige Botulinum Toxin, der Leberkrebs erzeugende Schimmelpilz Aflatoxin und der Milzbranderreger Bacillus anthracis. Außerdem besaß das Militär mit Kampfstoffen ausgerüstete Sprengköpfe für Al-Hussein-Mittelstreckenraketen. Obwohl große Mengen vernichtet wurden, rechnen Experten mit weiteren versteckten biologischen Substanzen.

Irak verfügte ebenfalls über umfangreiche Arsenale an C-Waffen, denen bei völkerrechtswidrigen Einsätzen gegen Iran wie auch gegen die Kurden im eigenen Land mehr als 5000 Menschen zum Opfer fielen. Von dem massenhaft produzierten Kampfstoff VX sollen trotz gegenteiliger Beteuerungen noch mehrere Tonnen existieren. Darüber hinaus fanden die UNO-Inspektoren Tausende mit dem Nervengift Sarin gefüllte Sprengkörper und rund 500 Tonnen weiterer Kampfstoffe, darunter Senfgas, das hochtoxische Tabun und den Hautkampfstoff S-Lost. Die Bestände wurden teilweise unter UNO-Aufsicht vernichtet, aber auch hier blieben Zweifel, ob nicht noch geheime Vorräte zurückbehalten wurden. Bagdad ist bisher der Konvention zum

Verbot von Chemiewaffen nicht beigetreten und hat mehrfach versucht, sich Vorprodukte für C-Waffen zu beschaffen.
Mit den über 800 Scud-Raketen wurde auch der größte Teil von Trägersystemen zerstört. Inzwischen besitzt Irak jedoch wieder Systeme wie Kurzstreckenraketen vom Typ Al Samud, mit Fallschirmen ausgerüstete Gleitbomben und unbemannte Flugkörper.

Wie Hans Blix dem Sicherheitsrat kürzlich berichtete, wurde das Personal der neuen UNO-Kontrollkommission im Hinblick auf einen baldigen Einsatz aufgestockt, so dass 58 UNMOVIC-Mitarbeiter aus 24 Ländern für Kontrollen in Irak bereitstehen. Zusätzliche 230 Experten wären bei Bedarf kurzfristig verfügbar. Die Inspektoren haben ein monatelanges intensives Training absolviert. Gemeinsam mit der IAEA und dem Büro des UNO-Hilfsprogramms »Öl für Lebensmittel« unterhält UNMOVIC eine Datenbank aller relevanten Informationen.

Wenn Bagdad nun einlenkt, könnten die internationalen Kontrollen in kürzester Zeit wieder aufgenommen und jeglichen Rechtfertigungsversuchen für eine militärische Eskalation der Boden entzogen werden. Gleichzeitig würde ein Mechanismus greifen, der die Erfüllung der Abrüstungsverpflichtungen mit der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen verknüpft. Nach über elf Jahren fänden dann auch die aus den Restriktionen erwachsenden Leiden und Entbehrungen für die Menschen im Land an Euphrat und Tigris ein Ende.

(ND 03.07.02)