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09.03.2001 |
Lassen sich Embargos humanisieren? |
jW sprach mit Elias Davidson über die UN-Irak-Sanktionen |
(Der Autor und Komponist Elias Davidson wurde in Palästina geboren und lebt seit 1962 in Reykjavik/Island. Der Sohn jüdischer Flüchtlinge setzt sich seit Jahren gegen die UN-Sanktionen im Irak ein. In London richtete er einen Fonds für die Opfer von Wirtschaftssanktionen ein F: Seit 1990 richten sich Sanktionen gegen den Irak. Durch wen wird es getragen? Die Sanktionen wurden offiziell durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wegen »Gefährdung des Weltfriedens« etabliert. Aber die Sanktionen, die ursprünglich am 6. August 1990 - als der Irak in Kuwait einfiel - ausgesprochen wurden, kamen nach dem Krieg nicht zu einer neuen Abstimmung. F: Welches Ziel wird verfolgt? Die Bevölkerung soll dazu gebracht werden, Saddam Hussein zu entmachten. F: Wie entwickelte sich das Embargo? In den ersten Monaten, vom August 1990 bis nach dem Golfkrieg, gab es ein totales Embargo. Nach dem Golfkrieg wurde die Einfuhr von Lebensmitteln wieder erlaubt. Aber der Irak hatte kein Geld, da das Ölgeschäft verboten blieb. Obwohl auf dem Papier erlaubt, wurde die Lebensmitteleinfuhr in der Praxis durch das Öl-Exportverbot unmöglich. F: Später wurde die Parole »Öl für Nahrungsmittel« ausgegeben. Nach dem Krieg verfaßte unter anderem der finnische Ministerpräsident Martti Ahtisaari einen Rapport über die Folgen für die Bevölkerung. Der UN-Sicherheitsrat reagierte jedoch nicht. Erst 1995, als Zahlen über eine enorm gestiegene Kindersterblichkeit in die Öffentlichkeit kamen, wurde dem Sicherheitsrat die Sache peinlich. Der irakischen Regierung wurde das Angebot gemacht, in einer bestimmten Höhe Erdöl exportieren zu dürfen, um dafür humanitäre Mittel zu importieren. Bedingungen war allerdings, daß die UNO die Verteilung der Mittel überwacht und 30 Prozent der Ausfuhrerlöse als Kriegsentschädigung an Kuwait gehen. Diese Kopplung von Kriegsentschädigung und humanitären Maßnahmen ist eine Verletzung des humanitären Rechts, wie es in den Genfer Verträgen festgelegt ist. Neuerdings darf der Irak Öl unbegrenzt exportieren. Aber das Ölsystem ist kriegsbedingt stark zerstört. F: Welche Auswirkungen haben die Sanktionen auf die irakische Bevölkerung? Die Kindersterblichkeit ist nach Angaben der UNICEF seit 1990 um das Zweieinhalbfache erhöht. Andere Altersgruppen hinzugerechnet, kann man sagen, daß durch das Embargo etwa 500 000 Menschen ihr Leben verloren. Auch sind die intellektuellen Fähigkeiten einer ganzen Generation nicht entwickelt. Die Einfuhr von Büchern und Zeitschriften bedarf bis heute der Zustimmung der UNO. Hinzu kommt die Flucht von Intellektuellen und Ärzten ins Ausland. F: Steht die UNO mit ihrer Sanktionspolitik unter dem Einfluß der US-Regierung? Natürlich, das ist unbestritten. Im Sicherheitsrat gibt es eine große Opposition, aber die USA haben Vetorecht. Es gibt allerdings Staaten, die das Embargo umgehen. F: Lassen sich Embargos humanisieren? Nein. Ein Wirtschaftsembargo ist eine makroökonomische Angelegenheit und von einem Waffenembargo zu unterscheiden. Die Bevölkerung soll unter Druck gesetzt werden. Und wenn man Druck erzeugen will, muß man die Menschen schädigen. Wirtschaftsembargos können nicht humanisiert werden. Das ist vergleichbar mit Folter, bei der man dem Gefolterten jede Stunde ein Glas Wasser gibt. Embargos sind eine Form dieser Folter. F: Welche Alternativen gibt es, ein diktatorisches System zu beenden? Das internationale System hat heute keine Antwort auf diese Frage. Es gibt sogenannte demokratische Regierungen wie in den USA, die auch den Weltfrieden gefährden. Für die internationale Gemeinschaft ist eine Diktatur als solche nicht gefährlicher als eine Demokratie. Interview: Manfred Horn * Infos: http://www.juscogens.org |