Störfeuer gegen Bagdad
Gespräche zwischen UNO und Irak endeten ohne spektakuläre Ergebnisse. Exiliraker beraten Umsturz
Karin Leukefeld,  junge Welt vom 08.07.2002
Die Gespräche zwischen UN-Generalsekretär Kofi Annan und dem irakischen Außenminister Naji Sabri sind ohne spektakuläre Ergebnisse zu Ende gegangen. Beide Seiten bezeichneten die Atmosphäre in Wien als »konstruktiv« und »ernsthaft«. »Es hat Bewegung gegeben«, sagte Kofi Annan. »Ich hätte es begrüßt, wenn wir noch weiter gekommen wären.« Ein neues Treffen wurde für »die kommenden Monate in Europa« anvisiert. Hauptgegenstand der zweitägigen Begegnung Ende letzter Woche war die Rückkehr von UN-Waffeninspektoren in den Irak.

Der stellvertretende Sprecher von Kofi Annan in New York, Hua Jiang sagte, man habe versucht, den Stillstand zwischen dem Irak und der UN zu beenden. Die Diskussionen über technische Fragen seien konstruktiv gewesen, man habe über Abrüstung gesprochen und praktische Fragen erörtert, für den Fall, daß die UN-Waffenkontrolleure in den Irak zurückkehren. Auch der irakische Fragenkatalog an die UN sei erörtert worden. Mohamed El-Baradei, Direktor der Internationalen Atomenergie Behörde (IAEA), sagte, der Irak gehe davon aus, daß die Rückkehr der UN-Waffenkontrolleure Teil einer umfassenden Vereinbarung sein müsse. Von irakischer Seite gab es außer einer allgemeinen Würdigung der »guten Atmosphäre« bisher keine Stellungnahme.

Der Sonderbeauftragte für Kuwait, Botschafter Yuli Vorontsov, erhielt von irakischer Seite die Zusage, daß 90 Prozent des 1990 entwendeten Nationalarchivs Kuwaits an den Scheichstaat zurückgegeben werden. Auch Kunstgegenstände, die während der irakischen Besatzung entwendet wurden, sollen zurückgegeben werden.

Die Wiener Gespräche wurden von einem medialen Störfeuer aus London und New York begleitet. Die Veröffentlichung eines Irak-Kriegsszenarios in der New York Times am zweiten Tag der Wiener Gespräche sollte offenbar gezielt die Begegnung belasten. Wirklich neu war die Meldung nicht. Schon am 24. Mai hatte die Washington Post über eine Klausur hochrangiger US-Militärs berichtet, deren Ergebnis eben dieser Plan war. General Tommy Franks, der Oberkommandierende der US-Streitkräfte, hatte ihn anschließend dem US-Präsidenten vorgetragen. Andere diffuse Medienberichte, wonach US-Soldaten bereits zu Tausenden an der jordanisch-irakischen Grenze beziehungsweise an der türkisch-irakischen Grenze stationiert seien, wurden von lokalen Beobachtern nicht bestätigt.

Als ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat mit Vetorecht ausgestattet, steuern die USA und Großbritannien seit Jahren einen harten Kurs gegenüber dem Irak. Erst nach einer Rückkehr der UN-Waffenkontrolleure könne man anfangen, darüber nachzudenken, wie es mit den UN-Sanktionen weitergehen soll, heißt es. Doch US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld meldete bereits Zweifel an, ob die UN-Waffenkontrolleure überhaupt alle Verstecke für atomare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen, die man im Irak vermute, finden könnten. Die Regierung von Saddam Hussein müsse so oder so beseitigt werden.

Wie das am besten zu machen sei, darüber sollen auf einer Konferenz in London in dieser Woche rund 70 ehemalige irakische Offiziere beraten. Das berichtete die britische Times. Veranstalter ist die Irakische Nationale Koalition, ein neu gegründeter Zusammenschluß von ehemaligen irakischen Militärs. Die US-Regierung erhofft sich aus diesen Kreisen offenbar Vorschläge für eine Revolte innerhalb der irakischen Armee und die Bildung einer neuen Regierung, die nach einem Sturz von Saddam Hussein mit US-Waffengewalt im Irak eingesetzt werden soll.

 
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