Neues Deutschland, 11.06.2001
Irak: UNO lockert Fesseln, Bagdad wehrt sich Türkei plädiert für Dialog mit Irak Von Karin Leukefeld, Izmir Der Weltsicherheitsrat will sich durch den Ölexport-Stopp Iraks nicht von seinem Plan abbringen lassen, neue gelockerte Sanktionen zu verhängen. Doch Bagdad wehrt sich weiter. Der Handel mit »zivilen Gütern« in den Irak soll gelockert, aber die Einfuhr so genannter »dual-use«-Güter, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke geeignet sind, stärker kontrolliert werden. Bis zum 4. Juli wollen die anderen Sicherheitsratsmitglieder die von den USA und Großbritannien vorgelegte Liste prüfen. Das Programm »Öl für Nahrungsmittel« war am 1. Juni zunächst für einen Monat verlängert worden, da sich die Sicherheitsratsmitglieder nicht auf »intelligente Sanktionen« einigen konnten. Der irakische Vizeaußenminister Riyadh Al Qanisi erklärte in Bagdad, der Irak werde eine wie auch immer geartete Vermischung des bisherigen UN-Programms »Öl für Nahrungsmittel« mit dem amerikanisch-britischen Vorschlag für »intelligente Sanktionen« gegen Irak nicht akzeptieren. Seit dem vergangenen Montag seien daher die UNO-kontrollierten Ölverkäufe von Seiten des Irak eingestellt. Gleichzeitig versichert die Regierung, dass die Öltransporte an Jordanien, Syrien und die Türkei fortgesetzt würden. Diese Transporte laufen jenseits der UNO-Kontrolle zumeist per Lastwagen. Mit dem Stopp der irakischen Öllieferungen fehlen auf dem internationalen Ölmarkt rund zwei Millionen Barrel, was bereits zu einem Preisanstieg führte. Saudi-Arabien hat angeboten, mehr Öl zu liefern, um den Preis niedrig zu halten. Seitens der OPEC hieß es, man werde sich vom Irak nicht »als Geisel nehmen« lassen. In der Türkei ist man sich in der Ablehnung der US-Sanktionspolitik einig und plädiert für einen Dialog mit Irak. Ministerpräsident Bülent Ecevit erhielt von allen Seiten Beifall, als er USA-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bei dessen kürzlichen Besuch drei Botschaften übermittelte: Der Irak dürfe nicht geteilt werden, womit er auf ein amerikanisches Gedankenspiel einging, bei dem im kurdischen Norden eine Alternativregierung installieren werden soll, um Saddam Hussein zu stürzen. Zweitens müsse die Türkei konsultiert werden, bevor man die Politik gegenüber Irak ändern wolle. Und drittens dürften die »intelligenten Sanktionen« nicht den Interessen Ankaras schaden. Auch Staatspräsident Ahmet Sezer wandte sich anlässlich eines Besuchs des jordanischen Außenministers gegen eine zusätzliche Belastung der Nachbarstaaten Iraks durch die geplante neue Sanktionspolitik. Die »intelligenten Sanktionen« werden auch Gegenstand von Gesprächen mit den kurdischen Parteiführern Masud Barzani (Kurdische Demokratische Partei - KDP) und Jelal Talabani (Patriotische Union Kurdistans - PUK) sein, die Mitte Juni gemeinsam nach Ankara kommen werden. Die Zolleinnahmen durch die inoffiziellen Öltransporte am Grenzübergang Habur sollten bisher die kurdische Autonomiebehörde stärken. Die KDP behält allerdings den größten Teil des Geldes ein, was in der Vergangenheit bereits zu blutigen Auseinandersetzungen führte. Die Royal Jordan Airlines erklärte am vergangenen Dienstag in Amman, zweimal wöchentlich eine Flugverbindung zwischen der jordanischen Hauptstadt und Bagdad aufzunehmen. Den Anfang dieser neuen Verbindung machte - mit der Genehmigung des UN-Sanktionskomitees - ein offizieller Flug, der die Handelsminister Jordaniens und Jemens, Wasif Azar und Mohammad Othman, sowie den ägyptischen Planungsminister Ahmad Al Darsh in die irakische Hauptstadt brachte. Sie nehmen dort an einer Konferenz der Arabischen Wirtschaftsunion teil, einer Untergliederung der Arabischen Liga.
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