UNO modifizierte Irak-Embargo: Durchbruch oder Rückschlag?

jW fragte Joachim Guilliard, Sprecher der deutschen »Initiative gegen das Irak-Embargo«

Interview: Rüdiger Göbel, junge Welt vom 16.05.2002

F: Der UN-Sicherheitsrat hat am Dienstag die Wirtschaftssanktionen gegen Irak gelockert. Was wurde genau entschieden?

Der Wortlaut der Resolution liegt mir noch nicht vor. Aber laut der verfügbaren Informationen wurde das »Öl für Lebensmittel«-Programm um weitere sechs Monate verlängert, dabei aber in zwei Punkten entscheidend geändert. Die Einfuhr eines großen Teils ziviler Güter soll praktisch frei sein, während auf der anderen Seite die Einfuhrkontrollen von Gütern, die auf einer Negativliste stehen, verschärft werden.

F: Allgemein wird die einstimmig gefaßte Entscheidung positiv bewertet. Kann sie tatsächlich die Situation im Irak verbessern?

Sie wird - so steht zu befürchten - keine wesentlichen Verbesserungen bringen. Von einer Aufhebung der Sanktionen kann keine Rede sein. Die Liste der Güter, die vom Sicherheitsrat als auch militärisch nutzbar, also als Dual-Use-Güter, eingestuft werden und weiterhin unter Embargo stehen, umfaßt 300 Seiten. Soweit bekannt, bleibt dem Irak zum Beispiel weiterhin die gesamte Telekommunikations- und Informationstechnologie verschlossen. Bisher sind auch viele Chemikalien, die im medizinischen Bereich und zur Wasseraufbereitung benötigt werden, als Dual-Use-Güter eingestuft worden.

Darüber hinaus bleibt das Sanktionsregime der UNO bestehen, die Öleinkünfte gehen weiterhin auf das Treuhandkonto der UNO, normale Auslandsinvestitionen im Irak werden nicht gestattet sein.

Um nach dem Krieg und zwölf Jahren Embargo die irakische Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, benötigt der Irak die freie Verfügung über seine Einkünfte, umfassende Investitionen und natürlich auch Zugang zur modernen Technik. Erst das kann die materielle Grundlage für eine wesentliche Verbesserung der Lage der Bevölkerung schaffen.

Der Irak stellt nach Ansicht seiner Nachbarstaaten keine Gefahr mehr da. Um eine bedrohliche Wiederaufrüstung zu verhindern, braucht man kein Sanktionsregime. Da der Irak wie alle weniger entwickelten Länder auf den Import von unmittelbaren Rüstungsgütern und Waffen angewiesen ist, genügt ein normales Waffenembargo.

F: Vertreter der USA und Bundesaußenminister Joseph Fischer äußerten sich zufrieden mit der Sicherheitsratsresolution. Wie bewertet Irak die UN-Entschließung?

Bagdad beharrt natürlich darauf, daß die ursprünglichen Auflagen des Sicherheitsrats erfüllt wurden und verlangt die vollständige Aufhebung der Sanktionen. Aus irakischer Sicht dient die Reform des Sanktionsregimes nur der unbestimmten Verlängerung des Embargos, das in seiner alten Form unhaltbar geworden ist. Die neuen Regelungen werden die Situation sogar noch verschärfen, da sie auch darauf abzielen, die Lockerungen im Handel mit den Nachbarstaaten wieder zu unterbinden.

F: Zur kompletten Aufhebung der Wirtschaftssanktionen ist eine Bestätigung von UN-Inspektoren notwendig, daß Irak seine ABC-Waffenprogramme abgebaut hat. Gibt es Fortschritte bezüglich der Neueinsetzung einer entsprechenden Kommission?

Der Irak hat wiederholt angeboten, UN-Inspektoren - außer US-amerikanische - wieder zuzulassen. Er verlangt aber im Vorfeld die Definition von klaren, überprüfbaren Kriterien, nach deren Erfüllung die Sanktionen aufgehoben werden.

Joachim Guilliard ist Mitherausgeber des Buches »Irak - Ein belagertes Land«, erschienen beim PapyRossa-Verlag in Köln.

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