Kommentar
Konkrete Schritte

EU-Staaten an einer politischen Lösung des Irak-Konfliktes interessiert?

Joachim Guilliard,
junge Welt vom 07.09.2002

Die deutsche Regierung hat in letzter Zeit relativ deutliche Vorbehalte gegen einen erneuten umfassenden Krieg gegen den Irak geäußert und eine deutsche Beteiligung ausgeschlossen. Auch die Mehrheit der übrigen EU-Staaten lehnt einen Militärschlag zumindest zum jetzigen Zeitpunkt ab und spricht sich für eine politisch-diplomatische Lösung des Konflikts im Rahmen der UNO aus.

Bis heute haben die Regierungen Europas und Russlands kaum etwas dafür getan, damit eine "politisch-diplomatische" Lösung auch nur eine echte Chance erhält.

Forsch haben die Außenminister der EU bei ihrem letzten Treffen in Helsingør gefordert, der Irak müsse die UNO-Inspekteure sofort wieder ins Land lassen. Bei der Frage, wie Vereinbarungen zu erzielen sind, die dem Irak eine Zustimmung ermöglichen würden, bleiben sie aber schön in Deckung und überlassen den USA allein die Regie bei den Verhandlungen. Das "Drehbuch der US-Regierung für ihre Verhandlungen mit Irak ist nach Meinung eines Vertrauten Kofi Annans‚ aber 'eindeutig auf ein Scheitern angelegt‘ berichtete Andreas Zumach (taz 2.8.2002)..

Der Irak hat seinen Willen zur Zusammenarbeit dagegen deutlich gemacht und mehrfach vernünftige Vorschläge unterbreitet, die zu einer Einigung über die Wiederzulassung eine Kontrollkommission führen könnte, die aber aufgrund der Vorgaben aus den USA nicht verhandelt werden dürfen.

Entgegen den weitverbreiteten Meldungen, hat der Irak keine substantiellen Vorbedingungen gestellt oder Vorleistungen gefordert. Er verlangt im wesentlichen nur einen vernünftigen Zeitplan für die Kontrollen, mit klaren Kriterien, wann welche Kontrollen als abgeschlossen zu gelten haben und mit Garantien, daß in dem Maße wie Fortschritte bei der Überprüfung gemacht werden, auch die Sanktionen gelockert bzw. aufgehoben werden.

Die USA hingegen bestehen auf die bedingungslose Akzeptanz der sehr ungenauen Vorgaben für die neue Kontrollkommission UNMOVIC in der UN-Resolution 1284, die es ihnen wie zuvor erlauben würde, nach eigenem Gutdünkem Umfang und Dauer der Kontrollen zu bestimmen.

Der Irak lehnt zudem zurecht auch die geplante Zusammensetzung des zukünftigen Inspektorenteams ab, das nach dem Willen der USA mehrheitlich aus US-amerikanischen und britischen Bürgern bestehen soll, darunter beliebig viele Militärs und Geheimdienstler. Er forderte hingegen eine ausgewogene Zusammensetzung und Garantien dafür, daß nicht wieder Waffeninspektoren ihren Aufenthalt zu Spionagezwecke mißbrauchen können und sie nicht trotz Zusammenarbeit mit der UNO von den USA angegriffen werden.

Im März dieses Jahres hat der Irak dem Generalsekretär der Vereinten Nationen eine Liste von 19 Fragen überreicht, die sich u.a. auch darauf beziehen, wie die UNO dazu steht, daß führende Mitglieder der US-Regierung wiederholt versichert haben, daß die Sanktionen erst enden werden, wenn die jetzige Regierung gestürzt sei

Auf diese Fragen hat der Irak bis heute noch keine Antwort erhalten. Hier könnten die europäischen Staaten zeigen, daß sie tatsächlich an einer politischen Lösung des Konflikts interessiert sind. Sie könnten im Verein mit Rußland auf UNO-Ebene darauf drängen, daß den Bedenken des Iraks Rechnung getragen wird und parallel selbst – in Abstimmung mit den Verhandlungsführern der UNO – ein entsprechendes Regelwerk für die Arbeit von UNMOVIC ausarbeiten.

Sollte die USA einen entsprechend ausgearbeiteten Vorschlag im UN-Sicherheitsrat verhindern, würde deutlich, daß nicht der Irak, sondern die USA den Beginn neuer Kontrollen verhindern.

Deutschland und die anderen EU-Staaten könnten dem Irak zudem garantieren, sich auf allen Ebenen einem Krieg der USA gegen das Land zu widersetzen: indem den USA die Nutzung von NATO-Einrichtungen verweigert, Überflugrechte und die Nutzung der US-Basen in Europa verwehrt, sowie alle bilateralen militärische Unterstützungsabkommen ausgesetzt werden.

Unabhängig davon, wie lange sich die Auseinandersetzung um neue Kontrollen hinziehen, darf das Wirtschaftsembargo nicht länger unterstützt werden. Es fordert nach wie vor hohe Opfer unter der Bevölkerung, die Geisel einer Politik bleibt, auf die sie keine Einfluß hat.

 * Unser Autor ist Sprecher der »Initiative gegen das Irak-Embargo Deutschland« (www.embargos.de)