Interview

Ölhahn im Irak abgedreht:Was bringt die Ausfuhrsperre?
jW sprach mit Tariq Aziz, stellvertretender Premierminister des Irak

Interview: Karin Leukefeld, Bagdad
 junge Welt vom 29.04.2002

F: Die USA arbeiten an Plänen zum Sturz der irakischen Regierung. Dafür soll die kurdische und die schiitische Beavölkerung in Ihrem Land eingesetzt werden. Wie bereiten Sie sich auf diese Möglichkeit vor und was erwarten Sie für den Fall vom Iran, der ja ebenso wie Irak und Nordkorea auf der »Achse des Bösen« liegt?

Diese »Achse des Bösen«, wie Bush sie genannt hat, gibt es nicht. Er kennt sich nicht in der Geschichte aus. Solche Erklärungen sind falsch und dumm. Das Ziel der Amerikaner ist, die irakische Regierung zu stürzen. Aber die Amerikaner haben die irakische Regierung nicht an die Macht gebracht. Wenn sie also die Regierung hier stürzen wollen, müssen sie einmarschieren und sie werden um jeden Zentimeter hier kämpfen müssen, Mann gegen Mann. Das ist eine sehr kostspielige Angelegenheit. Sie werden einsehen, daß das nicht möglich ist. Die Iraker werden ihre Würde verteidigen, sie werden ihre politische Führung verteidigen.

F: Würde die irakische Regierung es unterstützen, wenn die Kurden einen unabhängigen kurdischen Staat gründen?

Sehen Sie, der Teil, in dem unsere kurdischen Mitbürger leben, gehört zum Irak. Wir hoffen und glauben auch, daß sie im Irak als ein freies Volk leben werden, mit allen legitimen Rechten. Wir brauchen den Irak nicht in zwei Nationen aufteilen, um in Frieden und Gerechtigkeit zu leben. Aus offiziellen wie privaten Gesprächen weiß ich, daß die zwei Führer der kurdischen Bewegung nicht nach Unabhängigkeit streben. Sie begreifen sich als Iraker, als Teil des Irak.

F: Wie werden Sie reagieren, falls die Amerikaner, um ihre Ziele zu erreichen, im Irak Atomwaffen einsetzen?

Das ist eine kriminelle Drohung. Aber ich will Ihnen etwas sagen, und da übertreibe ich nicht: die Iraker lassen sich von einer solchen Drohung nicht einschüchtern. Unser Volk und die irakische Führung soll terrorisiert werden, damit sie sich ergibt. Aber die Amerikaner werden mit dieser Drohung keinen Erfolg haben.

F: Der Irak möchte aktiver Teil der internationalen Bewegung gegen die Globalisierung werden. Wie ist das möglich bei der offensichtlichen Zunahme religiösen Lebens in Ihrem Land? Ist die irakische Gesellschaft wirklich offen für so eine Bewegung?

Sie brauchen sich über den religiösen Trend in unserem Land keine Sorgen zu machen, er ist nicht falsch. Seien es die islamischen Gläubigen oder die christlichen Gläubigen, es sind gute Menschen. Sie können viel Gutes für unser Land tun, sie können die Nachbarschaft pflegen. Der Glaube in unserem Land ist derzeit eine große Hilfe gegen die Ungerechtigkeit, die den Menschen angetan wird. Es gibt hier keinen fanatischen Fundamentalismus, der die Augen der Menschen vor der Realität verschließt. Wir sind froh, daß unser Volk an die Werte von Islam und Christentum glaubt.

F: Der Irak hat seine Ölausfuhr für einen Monat gestoppt. Was wird danach geschehen? Und gibt es eine Reaktion der anderen arabischen Staaten auf den Vorschlag von Saddam Hussein, die gesamte Ölausfuhr auf 50 Prozent zu reduzieren? Was erwartet sich der Irak davon?

Unsere Entscheidung war, die irakische Ölausfuhr komplett für 30 Tage zu stoppen. Wir tun das jetzt. Der Vorschlag von Saddam Hussein an die anderen arabischen Staaten ist, ihre gesamte Ölausfuhr um 50 Prozent zu senken. Bis heute gibt es keine Reaktion von den arabischen Staaten. Doch scheint es, als würde diese Idee sich immer mehr durchsetzen. Wir hoffen, daß die Regierungen auf den Vorschlag antworten werden. Dann müßte die US-Regierung ernsthafte Schritte unternehmen, diese empörende Aggression gegen unsere palästinensischen Brüder und Schwestern zu beenden.

F: Saddam Hussein feierte am Wochenende seinen 65. Geburtstag. Warum ist es der ausländischen Presse nicht möglich, mit ihm ein Interview zu führen?

Präsident Saddam Hussein hat mehr öffentliche Auftritte als irgendein anderer Staatsmann in dieser Region, vielleicht sogar weltweit. Obwohl er keine Interviews gibt, wendet er sich durch die irakischen Medien auch an die Weltöffentlichkeit, zu vielen Gelegenheiten. Und er spricht viel mit seinem Volk. Jeder Staatsmann entscheidet selber, wie er auftritt und seine Ansichten vermittelt. Es gibt durchaus ehrliche Fernsehkanäle, die Interviews möglicherweise nicht manipulieren würden, und ich bin mir sicher, daß die irakische Führung, auch der Präsident, mit diesen gern sprechen würde. Aber besonders in Amerika findet man solche Medien nicht.

 
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