Nach den Anschlägen in den USA
– Kriegsdrohungen auch gegen den Irak
Nach den Terroranschlägen in den USA ist die Gefahr groß, daß neben Afghanistan auch der Irak Ziel der angekündigten "Vergeltungsschläge" werden könnte. Obwohl nichts auf eine Beteiligung des Iraks hinweist, drängen die Hardliner in Bush‘s Kabinett und im Senat massiv darauf, den Irak ebenfalls sofort unter Beschuß zu nehmen.
"Tatsächlich spricht bislang wenig für eine Beteiligung des irakischen Baath-Regimes an der verheerendsten Terrorserie in der Geschichte der USA." vermeldete auch dpa am 21.9.01 in einer von mehreren Zeitungen verbreiteten Nachricht. Dies räumte demnach selbst US-Vizepräsident Richard Cheney ein, da eine Zusammenarbeit der religiösen Fanatikern, unter denen die US-Führung die Täter vermuten, und dem laizistischen Irak auch ihrer Meinung nach wenig wahrscheinlich ist.
Der Irak wurde zudem bisher nie ernsthaft mit Aktionen individuellen Terrors in Verbindung gebracht. Dennoch führt die USA den Irak, wie auch Nordkorea und Cuba auf ihrer Liste der Staaten, die den, "weltweiten Terrorismus fördern" – den Terrorismusbegriff auf alle mißliebigen Befreiungsbewegungen ausdehnend.
Israelische Kreise und irakisch-kurdische Organisationen bemühen sich aus Eigeninteresse ebenfalls, mit Berichten über Verbindungen des irakischen Geheimdienstes zu Osama bin Laden, die USA zu größeren Militärschlägen gegen den Irak zu bewegen.
Die drohenden militärische Angriffe gegen den Irak wären daher keine "Antwort" auf die Anschläge in New York und Washington, sondern eine Intensivierung der aktuellen Kriegspolitik, in deren Folge britische und US-amerikanische Flugzeuge Woche für Woche irakisches Territorium bombardieren. Die Kritik an der US-Politik gegen den Irak war international zunehmend heftiger geworden. Die USA könnten in der aktuellen Situation dieser Kritik mit Vorwürfen, daß der Irak den "internationalen Terrorismus" unterstützen würde, einigen Wind aus den Segeln nehmen und ihren Aktionsradius auf das ganze irakische Territorium ausdehnen.
Angriffsziele könnten neben der irakischen Luftabwehr auch Teile der Infrastruktur zur Förderung und Transport von Erdöl sein, um dem Irak die Möglichkeit, auf eigene Rechnung Öl zu exportieren, zu beschneiden. – Dies war ja eines der Ziele, der im Juni im UN-Sicherheitsrat gescheiterten US-Pläne zur Änderung der Sanktionspolitik.
Umfassende Angriffe auf den Irak könnten für die USA aber auch noch aus einem anderen Grund interessant sein. Viele in den USA sehen mit Sorge die Unwägbarkeiten von Militäraktionen gegen Afghanistan. Da im Falle des Scheiterns "einer sinnvollen Luftkampagne" die Glaubwürdigkeit der USA untergraben würde, so das US-amerikanische Analyseinstitut Stratfor am 20.9., könnte sich der Fokus mehr auf den Irak richten, da es wesentlich einfacher sei, Angriffe auf den Irak zu fliegen.
Auch Newsweek vom 23.9. sah in Angriffen auf den Irak ein sinnvolle Alternative, falls sich die USA in Afghanistan verheddern. Das Territorium des Irak ist wohlbekannt und die gesamte Infrastruktur für Kriegseinsätze gegen den Irak steht einsatzbereit vor Ort – eine sichere Bank, um gefahrlos innenpolitisch zu punkten und nach außen Stärke zu zeigen. Bisher stehen allerdings die Verbündeten in der Region einem erweiterten Krieg gegen den Irak ablehnend gegenüber.
Kein Gedanke wird dabei daran verschwendet, daß gerade diese Art aggressiver und skrupelloser Politik in weiten Teilen der Welt Wut und Haß auf die USA erzeugt hat. Viele Länder haben bekanntlich die USA in den letzten Jahrzehnten mit Gewalt überzogen und Millionen von Menschen wurden dabei getötet. So forderte allein das – vor allem auf Grund der Haltung der USA – fortdauernde Embargo gegen den Irak bisher 1,5 Millionen Menschenleben. Dies und die offensichtliche Sonderbehandlung des Iraks im Vergleich mit anderen Ländern, empört weite Teile der Bevölkerung der gesamten Region.
Mit militärischen Mitteln wird die Gefahr terroristischer Anschläge auf Ziele in den USA oder Europa so oder so nicht zu bannen sein – im Gegenteil. Nötig wäre vielmehr ein Ende der häufigen Anwendung von Gewalt und Erpressung durch westliche Staaten, die Anerkennung des Rechts aller Länder auf eine eigenständige Entwicklung und die Lösung von Konflikten mit diplomatischen Mitteln – dies würde auch ein Ende von Wirtschaftsblockaden einschließen.
Ein bedingungsloses Ende des Embargos gegen den Irak, wie es der Aufruf der deutschen Initiative gegen das Irakembargo (s. www.embargos.de) fordert, sowie eine Lösung der ausstehenden Probleme auf dem Verhandlungswege, ist daher dringender den je. Diese Forderungen müssen ergänzt werden, durch den dringenden Appell an die USA und ihre Verbündeten, alle Kriegshandlungen gegen den Irak endlich einzustellen.
September 2001
Joachim Guilliard,
Initiative gegen das Irakembargo, Deutschland