Bundesregierung soll Wahlversprechen halten und sich gegen Irak-Feldzug einsetzen
Rüdiger Göbel, junge Welt vom 31.12.2002
Nichts rechtfertigt einen Krieg gegen Irak so könnte das Motto lauten, unter dem sich namhafte Juristen, Ärzte, Kulturschaffende, Kirchenvertreter und Gewerkschafter zusammengefunden haben. Zum Jahreswechsel appellieren sie an die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates und die Bundesregierung, die Gefahr eines neuen Feldzuges am Golf abzuwenden. Am 1.Januar beginnt die zweijährige Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Ab Februar hat Deutschland den Vorsitz.
Der Appell wurde von Gruppen der Berliner und bundesweiten Friedensbewegung ins Leben gerufen und drängt die Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der Verpflichtung aus ihrer vor den Wahlen geäußerten Ablehnung eines Krieges gegen Irak gerecht zu werden. Im Sicherheitsrat solle sie ihre Stimme und ihren Einfluß nutzen, um eine Autorisierung militärischer Gewalt im Namen der Vereinten Nationen zu verhindern. Erst am Wochenende hatte Bundesaußenminister Joseph Fischer mit der Erklärung für Wirbel gesorgt, Deutschland könnte im Sicherheitsrat einem Votum zum Irak-Krieg zustimmen.
»Das wiederholte Nein der deutschen Regierung zum Irak-Krieg war mitentscheidend für die Wiederwahl bei der Bundestagswahl im September 2002. Der damit übernommenen Verantwortung kann die deutsche Regierung gerade durch ihre Mitarbeit im UNO-Sicherheitsrat gerecht werden«, heißt es dagegen in dem Appell, der unter anderem von den Völkerrechtlern Norman Paech (Hochschule für Wirtschaft und Politik, Hamburg), Werner Ruf (Gesamthochschule Kassel) und Bernhardt Graefrath, (ehemaliges Mitglied der UN-Menschenrechts- und UN-Völkerrechtskommission), den Vorstandsmitgliedern der deutschen Sektion der Juristenorganisation IALANA, Volker Lindemann und Helga Wullweber, sowie den Vorstandsmitgliedern der Ärzteorganisation IPPNW, Ulrich Gottstein, Horst-Eberhard Richter und Angelika Claussen, erstunterzeichnet wurde. Hauptaufgabe der Vereinten Nationen sei die Verhinderung von Kriegen und die Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Völker. »Der Umgang mit dem Irak-Konflikt ist ein Gradmesser, inwieweit die UNO diesem Anspruch gerecht wird.«
Die Charta der Vereinten Nationen rechtfertige »keine militärischen Sanktionen allein aufgrund von Verstößen gegen Abrüstungsverpflichtungen oder sonstige Verpflichtungen aus UN-Resolutionen«, heißt es in dem Schreiben, das auch von den Gewerkschaftern Dieter Scholz (DGB, Berlin-Brandenburg), Lothar Nätebusch (Vorsitzender IG BAU, Berlin), Eva-Maria Stange (Bundesvorsitzende GEW) und Daniel Wucherpfennig (Jugendsekretär DGB, Berlin-Brandenburg) sowie von Daniela Dahn (Schriftstellerin), Rafik Shami (Schriftsteller), Frank Ekkes (Liedermacher) und Kostas Papanastasiou (Schauspieler) mitgetragen wird. »Nutzen Sie daher Ihre Stimme und Ihren Einfluß, jede Autorisierung militärischer Gewalt gegen Irak durch den Sicherheitsrat zu verhindern. Nutzen Sie das politische Gewicht der UNO, um einen eigenmächtigen Krieg der USA zu verhindern«, fordern die Unterzeichner von der deutschen Regierung wie auch allen anderen Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrates.
Wichtig sei eine »faire Durchführung« der derzeitigen UNO-Inspektionen in Irak. Der Sicherheitsrat müsse verhindern, daß die Waffenkontrollen dafür mißbraucht werden, »einen Krieg gegen Irak vorzubereiten oder einen Anlaß für einen solchen Krieg zu provozieren«. Ziel der Inspektionen sei die Abrüstung des Irak. Dies bedeute im Falle des Fundes von illegalen Waffen oder Rüstungsprogrammen die Vernichtung dieser Waffen und die Beendigung solcher Programme und nicht die Auslösung eines Krieges.
Darüber hinaus müßten die im August 1990 verhängten UNO-Sanktionen gegen Irak »so rasch als möglich« aufgehoben werden. Die vielfach belegten verheerenden Auswirkungen dieser Sanktionen würden eklatant gegen die im Völkerrecht verankerten Rechte der irakischen Bevölkerung verstoßen.
Bis zum Bericht von UNO-Chefinspekteur Hans Blix im Sicherheitsrat Ende Januar sollen weitere Unterzeichner für den Berliner Appell gewonnen werden. Zuvor schon sind zum zwölften Jahrestag des letzten US-Feldzuges gegen Irak im Rahmen eines globalen Aktionstages bundesweit Proteste geplant. So soll vor dem US-Hauptquartier in Heidelberg vom 16. auf den 17. Januar eine 24-Stunden-Mahnwache stattfinden. Für den 18. Januar ist in der Neckarstadt eine »friedliche Belagerung« der Militäreinrichtung angekündigt.
* Aufruf im Internet: www.embargos.de
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