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Plan B – das „Novemberabkommen“

In dieser Situation wurde Paul Bremer Mitte November zu einer Krisensitzung nach Washington gerufen, um einen Ausweg aus dem Dilemma zu suchen. Mehr Bündnispartner im Irak und mehr internationale Unterstützung war nicht zu erreichen, ohne ein gewisses Maß an Kontrolle aufzugeben. Dagegen hatten sich bis dahin vor allem die neokonservativen Hardliner vehement gesträubt. Doch nun verkündete Paul Bremer kurz nach seiner Rückkehr, dass am 30. Juni 2004 die unmittelbare Regierungsgewalt an eine provisorische Regierung übergehen und die Besatzung damit formell enden würde. Im sogenannten „15. November Abkommen“ mit dem „Regierenden Rat“ wurde ein Zeitplan festgelegt, der zunächst die Verabschiedung einer Übergangsverfassung und anschließend die Bildung der Übergangsregierung in einem komplizierten Auswahlverfahren vorsah.

Von einem Abzug der Besatzungstruppen war selbstverständlich keine Rede. Präsident Bush kündigte explizit an, dass die Besatzungstruppen auf unbestimmte Zeit im Irak bleiben werden – in Zukunft auf Einladung der irakischen Regierung. Ein entsprechendes Abkommen über die weitere Stationierung ausländischer Truppen sollte noch vor dem 30. Juni mit dem „Regierenden Rat“ abgeschlossen werden.

Der Zeitpunkt dieser sogenannten Machtübertragung wurde auf Ende Juni gesetzt, um Bush zu Beginn der heißen Phase des Wahlkampfes Entlastung zu verschaffen.

Forderung nach allgemeinen Wahlen

Ursprünglich war vorgesehen gewesen, die „Übergangsregierung“ durch eine nationale Versammlung ernennen zu lassen, deren Vertreter durch lokale Ausschüsse bestimmt werden sollten. Das Vorhaben, durch ein aufwendiges, aber gut zu kontrollierendes Verfahren, eine gewisse Repräsentativität vorzutäuschen, scheiterte aber am entschiedenen Widerstand auch gemäßigter irakischer Kreise: der geplanten „Ernennokratie“[44], wurde nachdrücklich die Forderung nach freien Wahlen entgegenstellt. Besonders machte der Besatzungsmacht dabei die ruhige aber hartnäckige Opposition des Großayatollahs Ali Al Sistanis, eine der angesehensten Persönlichkeiten im Land und faktisches Oberhaupt der schiitischen Glaubensgemeinschaft, zu schaffen. Bis dahin hatte der von Al Sistani geführte, sehr einflussreiche schiitische Klerus trotz seiner Ablehnung der Besatzung, im großen und ganzen eine abwartende Haltung eingenommen. Die konservativen Geistlichen haben selbstverständlich kein Interesse an einem stärkeren politischen Einfluss der radikalen Kräfte, die den Widerstand stellten. Im Januar mobilisierten er und seine Anhänger aber fast aus dem Stand heraus über 100.000 Irakerinnen und Iraker zu einer Demonstration in Bagdad für freie Wahlen. Es war die größte politische Manifestation seit Beginn der Besatzung.[45]

Wahlen waren aber das letzte, was die USA zu diesem Zeitpunkt brauchen konnten. Das zentrale Dilemma sei, so der Direktor des „Democracy Project“ der Stiftung Carnegie Endowment for International Peace, Tom Carothers, „dass die mächtigsten, und populärsten Bewegungen“ gerade die seien, die für die USA „zu tiefst unbequem sind.“[46] Statthalter Bremer beharrte daher darauf, Wahlen „auf eine Weise durchzuführen, die unsere Belange berücksichtigt.“ Auch er äußerte ganz offen die Befürchtung, dass aktuell die Gegner der USA gewinnen würden.[47] Es bliebe einfach nicht genügend Zeit, die „Moderaten“ zu organisieren, so einer seiner Mitarbeiter über die Arbeit, die aus US-Sicht noch zu leisten ist.[48] Selbst lokale Wahlen, die von einigen übereifrigen US-Kommandeuren vor Ort, die an ihre demokratiestiftende Mission glaubten, vorbereitet worden waren, wurden sämtlich unterbunden.

Widerstand gegen Wahlen kam verständlicher Weise auch vom „Regierenden Rat“, dessen  meisten Mitglieder bei freien Wahlen von der politischen Bildfläche verschwinden würden.

Für landesweite Wahlen fehle einfach die Zeit, so das wichtigste Argument Washingtons. Sie könnten allein schon deswegen nicht in weniger als zwei Jahren abgehalten werden, weil keine ausreichenden Zensusdaten für ein Wählerregister vorhanden wären.

Diese Argumentation wurde von irakischen Beamten und UN-Mitarbeitern, die mit den Verhältnissen vor Ort vertraut sind, sofort zurückgewiesen. Sie stimmen alle darin überein, dass es mit der bereits existierenden Datenbank für das Lebensmittelverteilungssystem des „Öl-für-Nahrung-Programms“ der UNO, in der nahezu alle Iraker erfasst sind, recht einfach wäre, ein Wählerregister aufzubauen.[49]

Da es zudem im Irak regelmäßig Wahlen gegeben habe, existiere – unabhängig davon wie wenig demokratisch diese waren – durchaus auch das Know How und die Infrastruktur dafür. Carina Perelli, Direktorin der UN-Wahl-Unterstützungsabteilung, hielt nach einem Besuch des Landes, Wahlen innerhalb von sechs Monaten für machbar. [50] Bei rechtzeitiger Vorbereitung wären Wahlen zur Interimsregierung also durchaus möglich gewesen. Die meisten Iraker hätten dafür auch einen etwas späteren Termin als den 30. Juni akzeptiert.

Auch die mangelnde Sicherheit wurde gegen Wahlen ins Feld geführt. Solange die Guerillaangriffe andauern, könnten keine Wahlen stattfinden. In anderen Ländern wurden jedoch schon unter schwierigeren Bedingungen Wahlen durchgeführt, und es spricht nichts dafür, dass sich die Sicherheitsbedingungen ändern werden, solange die Besatzungstruppen im Land stehen.

Die einfachste Möglichkeit die Sicherheitslage für Wahlen zu verbessern, wäre nach Ansicht vieler Experten ein klarer Fahrplan für den Abzug der fremden Soldaten und die Einbeziehung aller politischen Kräfte, d.h. auch baathistische Gruppierungen, militante Nationalisten und radikale Schiiten.

Robert Collier, der Auslandsreporter des San Francisco Chronicle, hatte während seiner Irak-Reise im Dezember 2003 Dutzende von schiitischen Führern, sunnitischen Klerikern und Baathisten aller Rangebenen interviewt und nach ihren Lösungsansätzen gefragt. Die Antworten, so Collier, hätten neben scharfen Differenzen auch eine große Zahl wichtiger Gemeinsamkeiten ergeben: unter anderem die Hauptforderungen nach (a) Kontrolle des Übergangsprozesses durch die UNO, (b) Ersetzung der Besatzungstruppen durch UN-Truppen aus neutralen Staaten, sowie der Zivilverwalter durch UN-Mitarbeiter und (c) Abhaltung nationaler Wahlen unter UNO-Aufsicht in der zweiten Hälfte des Jahres 2004.  Alle Versuche, eine pro-westliche Regierung zu installieren müssten gestoppt und stattdessen auch den Gegnern der USA die Teilnahme an Wahlen ermöglicht werden. Forderungen, die Baath-Partei von der einstigen Führungsschicht zu säubern, könnten sie ebenso akzeptieren, wie die nach Umbenennung oder Neugründung ihrer Partei, so ein Brigadegeneral der alten irakischen Armee. Doch wenn die Mitglieder der Baath-Partei und die anderen gegen die US-Besatzung kämpfenden Gruppen ausgeschlossen blieben, würden sie ihre Angriffe selbstverständlich fortsetzen. „Wenn uns zugestanden wird, uns an Wahlen zu beteiligen, und wenn die UNO garantiert, dass wir nicht betrogen werden, werden wir der neuen Regierung eine Chance geben.“ Collier erinnert daran, dass es eine solche Wiedereingliederung auch schon in anderen Ländern gab.[51]

Stünden die Wahlen am Anfang eines Übergangprozesses, der tatsächlich zum Ende der Besatzung und dem Abzug der fremden Truppen führen würde, so wäre auch nach Ansicht vieler führender irakischer Persönlichkeiten, die von einem UN-Team befragt worden waren, die Frage der Sicherheit kein größeres Problem, da eine solche Lösung von allen patriotischen Irakern unterstützt würde.[52]

Das UN-Team, das unter Leitung des Sondergesandten Kofi Annans, Lakthar Brahimi, vor Ort die Möglichkeiten von Wahlen prüfte, kam in dieser Frage dennoch den USA entgegen: Indem es die Meßlatte für erfolgreiche Wahlen trotz der brisanten Umstände sehr hoch hing, kam es zum Schluss, dass Wahlen zur Interimsregierung nicht durchführbar seien. Allerdings veranschlagte das Team für den benötigten Zeitraum keine zwei Jahren sondern nur 8 Monate – Wahlen bis Ende des Jahres hielt Brahimi prinzipiell für machbar.

Übergangsverfassung

Ein wesentliches Element in der US-Strategie stellte die Verabschiedung einer Interimsverfassung noch vor Übergabe der Regierungsgewalt an irakische Institutionen dar. Dies gelang beinahe fristgerecht: am 8. März unterzeichnete der „Regierende Rat“ ein „Übergangsverwaltungsgesetz“(Transitional Administrative Law, TAL). Diese von US-Juristen entworfene Verfassung hat trotz ihrer nüchternen Bezeichnung nicht den Charakter eines Provisoriums, sondern ist schon vollständig ausgearbeitet und als Vorlage für die permanente Verfassung gedacht. Es dürfte auch für eine spätere verfassungsgebende Versammlung, so das Kalkül, nicht einfach sein, sie wesentlich zu verändern – ungeachtet ihrer Zusammensetzung. Sie soll auf diese Weise dazu beitragen, den US-amerikanischen Einfluss auf subtile Weise langfristig zu verankern.

Von der westlichen Presse wurde die neue Verfassung als demokratischer Meilenstein gefeiert. Dabei war schon ihr Zustandekommen im engen Rahmen des „Regierenden Rates“ und unter Federführung der USA, alles andere als demokratisch. Sie enthält zudem ihre Machtlosigkeit bereits in sich selbst festgeschrieben, indem sie bestimmt, dass alle Gesetze und Verordnungen der Besatzungsbehörde in Kraft bleiben werden und nur von einer gewählten Regierung in einem aufwendigen Verfahren geändert werden können.

Die ausführlichen Formulierungen bürgerlicher Rechte können sich in der Tat sehen lassen, doch im sozialen Bereich fällt die neue Verfassung hinter bestehendes Recht zurück. Enthielt die alte Verfassung ein Recht auf Arbeit und Bildung, die Verantwortung des Staates für die Gesundheitsversorgung und die Verpflichtung des Staates zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen,[53] so ist dies nun alles reduziert auf die Verpflichtung der Regierung, für das Wohl der Bevölkerung soweit zu sorgen, wie es „die Ressourcen zulassen“ und „unter Berücksichtigung anderer vitaler Pflichten.“[54]

Das TAL beseitigt erwartungsgemäß auch alle Schranken, die einer wirtschaftlichen Übernahme des Landes durch ausländisches Kapital entgegenstanden. Es verbietet zwar mit Artikel 15 Sondergerichte, konterkariert dies aber anschließend in Artikel 48 durch die explizite Bestätigung des im Dezember 2003 eingerichteten Sondergerichtshofs zur Aburteilung Saddam Husseins und anderer führender Köpfe des alten Regimes.

Unklar ist, welche Auswirkungen auf die individuellen Rechte der explizite Verweis in der Interimsverfassung auf den Islam als „eine Quelle“ der Rechtsprechung und die Bestimmung, dass kein Gesetz im Gegensatz zu islamischen Recht stehen darf, haben wird. Die Formulierung war ein Kompromiss zwischen den Kräften im Umfeld des „Regierenden Rates“, die die Scharia zur Basis der Rechtsprechung machen wollten, und denen, die den bisherigen säkularen Charakter Iraks bewahren wollten.

Insbesondere die Frauen sehen ihre Rechte auch durch die Kompromissformel bedroht, hatte doch der „Regierende Rat“ schon versucht, das bisher geltende irakische Familienstandsrecht aufzuheben. Dieses Recht stellt die Frauen in den wesentlichen Punkten, wie Erbe, Heirat, Scheidung und Sorgerecht dem Mann gleich und gehört damit zu den fortschrittlichsten in den islamischen Ländern. Der „Regierende Rat“ hatte unter Berufung auf islamisches Recht im Dezember 2003 beschlossen, das alte Familienstandsrecht aufzuheben und stattdessen die traditionellen Gesetze der jeweiligen Religion wieder in Kraft zusetzen. Da Statthalter Paul Bremer das Gesetz nicht unterzeichnete, hängt es seither in der Luft.[55]

Die USA hatten unmittelbar mit Unterzeichnung der Verfassung eine größere Medienkampagne gestartet, in der sie diese als „ohne Vorläufer in der arabischen Welt“ feiern ließen. In Wirklichkeit haben eine ganze Reihe arabischer Staaten ähnliche Verfassungsrechte und garantierte auch die alte Verfassung die wesentlichen individuellen Rechte. Das Problem liegt bekanntlich meist nicht in den Formulierungen auf Papier, sondern in der Praxis. Ob beispielsweise die Besatzungstruppen nach dem Inkrafttreten des TAL tatsächlich die Unverletzlichkeit der Wohnung oder das Verbot willkürlicher Festnahmen respektieren, ist stark zu bezweifeln.

Die überwiegende Mehrheit der Iraker war von der Diskussion vollständig ausgeschlossen. Über den Inhalt konnten sie sich erst informieren, als das Papier aus dem englischen ins arabische übersetzt worden war. Viele machten sich diese Mühe gar nicht, da sie die Verfassung als ein von der Besatzungsmacht aufgezwungenes Machwerk von vorneherein ablehnen.

Auf konkrete Ablehnung stößt bei den meisten Irakern unter anderem das vorgesehene, sehr weitgefasste, föderale System, das ihrer Ansicht nach auf die Zersplitterung der irakischen Gesellschaft und eine Schwächung des Landes zielt.[56] Eine gewisse Dezentralisierung des Staates würde wohl weithin akzeptiert werden, allerdings darauf beschränkt, den bestehenden 18 Gouvernaten föderale Rechte zuzugestehen und nicht, wie nun vorgesehen, neugebildete weitgehend autonome „föderale Regionen“.[57] Dies wird als Fortsetzung der bisherigen Politik der USA betrachtet, die bei der politischen Repräsentation von Irakern auf allen Ebene eine Einteilung in Schiiten, Sunniten, Kurden, Turkmenen usw. vornahmen, eine Einteilung die der irakischen Gesellschaft bis dahin weitgehend fremd war.[58]

Die Grenzen der anvisierten föderalen Selbstverwaltung sind völlig vage. Der Zentralregierung wird zwar die Verantwortung für die Außenpolitik, nationale Sicherheit, Steuer- und Währungspolitik, die Kontrolle des Öls und anderer natürlicher Ressourcen zugebilligt, das TAL enthält aber praktisch keine Begrenzung der Macht der geplanten „föderaler Regionen“. Die bisher einzige etablierte Region ist die 1974 aus den drei mehrheitlich von Kurden bewohnten Nordprovinzen gebildete „Kurdische Autonome Region“ KAR. Der Regierung dieser Region wird weitgehend die legislative und judikative Unabhängigkeit eingeräumt, sowie den Erhalt der regionalen Kontrolle über Polizei und anderer Sicherheitskräfte. Dadurch werden die Milizen der beiden Parteien PUK und KDP, die sich die Herrschaft über diese Region teilen, eine permanente militärische Macht darstellen, die von der Zentralregierung unabhängig ist. Das TAL gewährt zudem den beiden Kurdenparteien, d.h. den engsten Verbündeten der USA, indirekt Veto-Rechte bei der Verabschiedung einer endgültigen Verfassung. [59] Dieser Passus war bis zuletzt auch im Regierenden Rat umstritten und hatte zu Verzögerungen geführt. Kritiker wiesen daraufhin, dass die wiederholte Ablehnung einer künftigen permanenten Verfassung durch eine Mehrheit innerhalb der KAR, deren Inkrafttreten auf unbestimmte Zeit blockieren und die Übergangsverfassung sich so zur permanenten „verhärten“ könnte.

Viele Iraker fragten sich von Anfang an, wozu überhaupt eine solche Übergangsverfassung nötig sein sollte. „Es gibt eine permanente Verfassung und wir könnten mit dieser weiter arbeiten, indem all die Ergänzungen und Beschlüsse außer Kraft gesetzt werden, die den Geist des Gesetzes auf Kosten der Rechte der Iraker in den letzten Dekaden verletzte.“[60]

Auch Ayatollah Al Sistani machte deutlich, dass der schiitische Klerus ein von der Besatzungsmacht erlassenes Gesetzeswerk auf keinen Fall als irakische Verfassung anerkennen werde. Es sei ein Hindernis auf dem Weg zu einer permanenten Verfassung, die die Einheit des Iraks und die Rechte seiner Bevölkerung in seiner ganzen ethnischen und konfessionellen Verschiedenheit schütze.[61] Er verweigerte dem UN-Sondergesandten Brahimi jegliches Gespräch, solange die UNO die Übergangsverfassung als Basis für den Übergangsprozess anerkenne.

Novemberplan in Trümmern

Zum Widerstand auf politischer Ebene, der die Anstrengungen Washingtons der US-Herrschaft ein irakisches Gesicht zu geben, torpedierte, kam der stetig wachsende bewaffnete Widerstand. Der einzige größere Erfolg der Besatzungstruppen, die groß in Szene gesetzte Gefangennahme Saddam Husseins im Dezember, hatte ihn so wenig zu dämpfen vermocht, wie die Ankündigung einer Teilsouveränität für den kommenden Sommer.

Tatkräftig gefördert durch die US-amerikanische Besatzungsmacht erreichte der militärische Widerstand im März und April schließlich eine neue Qualität. Die erste Zuspitzung fand in Falluja, etwa 50 km westlich von Bagdad, statt, wo US-Truppen Anfang April eine großangelegte Strafaktion begannen, um sich für die Demütigung durch die Tötung und Leichenschändung von vier US-amerikanischen Söldnern zu rächen. Die Stadt wurde von der Außenwelt abgeriegelt und US-Einheiten versuchten in sie einzudringen. Sie stießen aber auf erbitterten Widerstand durch lokale Guerillaeinheiten und städtische Milizen und eskalierten daraufhin ihre Angriffe auf die 300.000 Einwohner der Stadt vom Boden und aus der Luft. Bis zu einem Waffenstillstand am Ostersonntag war die Zahl der irakischen Opfer auf über 600 gestiegen, über 1200 waren verletzt. Ihr ursprüngliches Ziel erreichte die US-Armee allerdings nicht und die belagerte Stadt wurde zum Symbol des Widerstands.

Parallel hierzu begann die Besatzungsbehörde mit provokativen Maßnahmen gegen die vom radikalen schiitischen Geistlichen Muktadar al Sadr geführte Bewegung. Al Sadr, Sohn des angesehenen Religionsführer Ayatollah Sadeq as-Sadr, der 1999 vom Baath-Regime hingerichtet wurde, hat vor allem unter den ärmeren sunnitischen Stadtteilen von Bagdad und in anderen Städten des Süden viele Anhänger. Al Sadr, der von Anfang an lautstark gegen die Besatzung wetterte, war den USA schon lange ein Dorn im Auge. Doch auch als er ab August 2003 begann, unter dem Namen „Armee des Mahdi“ eine zunächst unbewaffnete Miliz aufzubauen, griff die Besatzungsmacht nicht ein. Zu groß war die Sorge, dadurch die mehrheitlich noch passive schiitische Bevölkerung gegen sich aufzubringen.

Diese Zurückhaltung wurde auf Anordnung Washingtons im März 2004 aufgegeben. Die CPA ging gegen Anhänger Al Sadrs vor und verordnete die Schließung der Bagdader Zeitung al Sadrs, „al-Hawza“. Es war nicht die erste solche Zensurmaßnahme, aber die folgenschwerste. Immer zahlreicher und heftiger protestierten Anhänger Al Sadrs gegen die Schließung und als die US-Truppen in Najaf auch noch einen engen Mitarbeiter Al-Sadrs gefangen nahmen und Besatzungstruppen das Feuer auf Demonstranten eröffneten, eskalierten Mitte April die Proteste. Es kam zu offenen Gefechten zwischen Besatzungstruppen und Angehörigen der „Mahdi-Armee“, denen sich weitere Iraker anschlossen. In einer Reihe schiitischer Städte entwickelten sie sich zu regelrechten Aufständen, in den südirakischen Städten Najaf, Kerbala, Nasirijah, Kufa, Kut, Diwanijah, sowie den Bagdader Stadtteilen Thawra, Shuala und Kadhimijah verloren die Besatzungsmächte völlig die Kontrolle. Arabische Politiker kommentierten voll Ironie, dass es nun den Truppen, die angeblich ins Land kamen, um Freiheit und Demokratie zu bringen, gelungen sei, durch die Schließung von Zeitungen einen regelechten Volksaufstand zu provozieren.[62]

Wenn es auch auf den ersten Blick reichlich verwegen scheint, trotz der Probleme mit der Guerilla im mittleren Teil des Iraks, auch noch eine bewaffnete Auseinandersetzung in den schiitischen Städten des Südens zu provozieren, so könnte dahinter durchaus ein logisches Kalkül der Besatzungsmacht stecken: Die radikalen Gegner zu einem Zeitpunkt zum Kampf zu provozieren, zu dem sie noch nicht ausreichend vorbereitet sind, anstatt zuzusehen, wie sich immer weiter personell verstärken und ihre organisatorischen Strukturen stärken.

Ungeachtet der breiten Ablehnung der Besatzung, sind die Iraker in der Tat alles andere als gut vorbereitet für einen langen Befreiungskrieg. Es mangelt nicht an Waffen und an zornigen, militärisch gut ausgebildeten jungen Irakerinnen und Irakern. Nach den vorangegangenen Kriegen und dem Embargo fehlen aber alle sonstigen Ressourcen und persönlichen Reserven für eine vorrausichtlich langandauernde Konfrontation mit der einzig verbliebenen Supermacht. Angesichts der Übermacht der USA und ihrer Verbündeten, sowie der Unterstützung, die sie auch von den kriegskritischen Mächten in Europa erhalten, können die Iraker kaum auf internationale Unterstützung hoffen. Es fehlt zudem noch eine weithin akzeptierte politische Führung, wie auch die politischen Strukturen, durch die eine solche rasch entstehen könnte. Die brutale Besatzungspolitik führt zwar offensichtlich zu einem beträchtlichen Einigungsdruck, doch nach drei Jahrzehnten Diktatur und massiven Repressionen gegen konkurrierende politische Kräfte, sowie deren Zersplitterung, ist es selbstverständlich nicht einfach, einen Konsens zwischen den verschiedenen Kräften herzustellen.

Gemäß Fuad Tarfi, einem Sprecher Al Sadrs, hatten dessen Anhänger zunächst tatsächlich gezögert, zurückzuschießen. „Wir haben den Zeitpunkt des Aufstands nicht gewählt, das taten die Besatzungstruppen“ [63]

Diese hoffen nun, dass ihre Gegner ihr Pulver, d.h. ihre Abwehrraketen, Mörsergranaten usw. auf diese Weise frühzeitig verschießen. „Wenn wir uns nicht jetzt um diese Elemente und diese Individuen und diese Organisationen kümmern, werden diese Milizen sich an einem anderen Tag erheben und es ist besser, wir befassen uns jetzt mit ihnen, als nach dem 30. Juni“, so Dan Senor der Sprecher der CPA. Ausgesprochenes Ziel der USA war zudem, einen demonstrativen Trennungsstrich zu ziehen und allen irakischen Kräften die Konsequenzen einer zu radikalen Opposition klar zu machen. Wer nicht bereit ist, sich innerhalb des engen angebotenen politischen Rahmens zu engagieren, so die Botschaft, riskiert wie Al Sadr, als Vogelfreier gejagt zu werden.

Offensichtlich ging der Schuss aber stark nach hinten los, da sich große Teile der Bevölkerung in den umkämpften Städten hinter die Kämpfer stellten und die Heftigkeit und Breite des Aufstands dadurch die Besatzer völlig unvorbereitet traf. Es gelang den Besatzungstruppen anschließend nicht mehr, die Kontrolle über alle Städte zurückzugewinnen.

Der politische Schaden wog schwer, widerlegten doch diese Volksaufstände im bisher ruhigeren schiitischen Südengründlich die Propaganda von einem nur von Resten des alten Regimes und zugereisten Islamisten getragenen Widerstand. Zu offensichtlich war die Unterstützung breiter Teile der Bevölkerung und unübersehbar auch die gegenseitige Hilfe von Schiiten und Sunniten. In Falluja und später auch in Najaf sahen sich die US-Truppen zudem gezwungen, Verhandlungen mit Widerstandsgruppierungen zu führen. Damit erkannte die US Armee diese zum ersten Mal als ernstzunehmende politische Kraft an.

Vor die Wahl gestellt vor den Augen der Weltöffentlichkeit bei der Stürmung Fallujas ein noch größeres Blutbad anzurichten oder sich unverrichteter Dinge zurückzuziehen, wählten sie einen Kompromiss, der ihre Niederlage kaum verhüllt. Die Kontrolle der Stadt wurde einer neu aus Irakern gebildeten „Falluja-Brigade“ unterstellt, deren Führung ehemalige baathistische Offiziere der alten Armee übernahmen. Selbst den USA war klar, dass diese Brigade keine US-loyale Einheit sein würde und in ihre Reihen auch Kämpfer aufgenommen hatte, die zuvor die Stadt mit Waffen gegen die US-Truppen verteidigten. In der Stadt selbst wurde der Einzug dieser Brigade daher auch stürmisch wie ein Sieg gefeiert.[64]  In Najaf einigten sich die USA mit der „Mahdi-Armee“ und dem „Schiitischen Rat“ („Beit Shia“) der Stadt, dem viele lokale Gruppen angehören, ebenfalls auf einen Waffenstillstand, in dem sie dem Rückzug ihrer Truppen aus den zentralen Stadtteilen akzeptieren musste.[65]

In den Reihen der irakischen Verbündeten Washingtons hatte es angesichts des brutalen Vorgehens der US-Truppen in Falluja heftig zu rumoren begonnen. Mehrere Mitglieder des „Regierenden Rats“ verurteilten die Strafaktion gegen eine gesamte Stadt, zwei traten sogar zurück. Das herbeibeorderte Bataillon der von den USA neu aufgestellten irakischen Armee weigerte sich in Richtung Falluja auszurücken und „Krieg gegen Iraker“ zu führen. Nach Angaben der Washington Post quittierten in diesen Tagen insgesamt etwa 20 bis 25 Prozent der irakischen Armee, der „Zivilverteidigung“, der Polizei und anderer Hilfstruppen den Dienst, verweigerten den Gehorsam oder wechselten die Seiten.[66] Dem britischen Independent zufolge musste das US-Militär sogar einräumen, dass im April 40 Prozent der irakischen Sicherheitskräfte desertierten und 10 Prozent die Seiten wechselten.

Die „Koalition der Willigen“ begann ebenfalls zu bröseln. Nach der Wahlniederlage von Bushs engem spanischen Verbündeten José María Aznar, kündigte die neue Regierung den Rückzug an, einige lateinamerikanische Länder, die Aznar zur Teilnahme genötigt hatte, folgten. Der polnische Premier äußerte gleichfalls Rückzugsabsichten, da er sich von Bush über die Kriegsgründe getäuscht fühlte.

Auch in den USA nahmen die prinzipiellen Zweifel an einem Erfolg im Irak weiter zu. „Wir sind gescheitert“ so beispielsweise William Odom, US-General im Ruhestand und ehemaliger Direktor des größten US-Geheimdienstes, der National Security Agency (NSA) in einem Interview mit dem Wallstreet Journal. Wenn es im Januar 2005 tatsächlich allgemeine Wahlen geben würde, so Odom, könne „niemand, der pro-amerikanisch ist, Legitimität gewinnen.“[67]

Die USA steckten offensichtlich mit ihrem Übergangsplan fest. Unterstützung im Irak hatten sie damit nicht gewinnen können, die Opposition gegen ihre Politik war stattdessen auch politisch noch viel breiter und stärker geworden. Den 30. Juni als Termin für einen Wechsel der Machtausübung im Irak wollten die USA aus innen- wie außenpolitischen Gründen dennoch auf alle Fälle halten.

Die UNO kommt zu Hilfe

Aus dieser verfahrenen Situation konnte den USA nur noch die UNO helfen. Wenn Akzeptanz im Irak selbst nicht zu bekommen war, konnte allein der UN-Stempel dem „Transformationsprojekt“ noch ein gewisses Maß an Legitimation im Innern wie nach außen verschaffen. Der UN-Generalsekretär und sein Sondergesandter Lakthar Brahimi folgten dem Hilferuf umgehend. Brahimi hatte den USA ja bereits etwas Luft verschafft, indem er die Wahlen zur Interimsregierung für nicht durchführbar erklärt hatte. Gleichzeitig hatte er aber Wahlen bis Ende des Jahres gefordert und sich gegen das in Washington mittlerweile ins Auge gefasste Verfahren gewandt, die Übergangsregierung durch Erweiterung des „Regierenden Rates“ zu bilden. Er schlug vor, diesen vollständig aufzulösen und eine Regierung aus unabhängigen Fachleuten zu bilden.

Die US-Administration lenkte  – gegen erheblichen Widerstand aus den Reihen der Falken – ein. Im Gegenzug dafür übernahm Brahimi die Aufgabe eine solche Interimsregierung zusammenzustellen und mit dem moralischen Gewicht der UNO zu versehen. Brahimi, einst führender Repräsentant der algerischen Befreiungsbewegung und später algerischer Außenminister, hat einen guten Ruf in der arabischen Welt, der ihm im Irak den Zugang zu einflussreichen Kreisen eröffnete, die den Kontakt mit der Besatzungsmacht ablehnten. Er hoffte so, eine provisorische Regierung zusammenstellen zu können, die in der Lage sein sollte, zwischen den Besatzern und einem wesentlichen Teil des politischen Spektrums vermitteln zu können. Die reale Aufgabe glich dann allerdings der Quadratur des Kreises: die von ihm gewählten Kandidaten sollten in den Augen der Iraker als unabhängig, besser noch als Besatzungsgegner gelten, damit die Interimsregierung nicht wie eine Neuauflage des „Regierenden Rates“ erscheint. Sie mussten auf der anderen Seite aber auch das Vertrauen der USA haben.

Brahimi konnte sich am Ende mit seiner Auswahl gegen Bremer und die maßgeblichen Kräfte im „Regierenden Rat“ nicht durchsetzen und machte der Presse gegenüber keinen Hehl aus seiner Verärgerung: Gefragt, wie stark der Einfluss der US-Administration bei der Bildung der neuen Regierung sei, erinnerte Brahimi daran, dass es US-Statthalter Paul Bremer ist, der die Fäden im Irak in der Hand hält: „Bremer ist der Diktator des Irak. Er hat das Geld. Seine Unterschrift gilt.“[68]

Die Mannschaft, die Brahimi nach langem hin und her Anfang Juni präsentieren durfte, war überwiegend wieder aus den selben pro-amerikanischen Kräften zusammengesetzt, die auch in Bremers Rat saßen. Zwei Wochen später legte er auf diskrete Weise sein Amt nieder und begründete dies erst auf Nachfragen mit den großen Schwierigkeiten und Frustrationen bei seinem Einsatz im Irak.[69]

 

Die „Übergangsregierung“  – „Souveränität“ per Definition

Die höchsten Posten in der Interimsregierung erhielten Männer, die bereits im „Regierenden Rat“ saßen, so der zum Präsidenten ernannte Unternehmer Scheich Ghazi Al Yawer und der neue Premierminister Iyad Allawi. Al Yawer lebte zuvor im Exil in Saudi Arabien und unterhält engste Verbindungen mit Washington. Als Neffe des Oberhauptes eines der größten Stämme Iraks, dem sowohl Schiiten als auch Sunniten angehören, genießt er dennoch einiges Ansehen im Land. Er hatte sich zudem durch Kritik an der Besatzungspolitik in den Monaten zuvor zusätzliche Reputation verschafft.[70] Seine Ernennung zum rein repräsentativen Präsidentenamt hat nur symbolischen Wert. Die Besatzungsmächte wie die UNO-Diplomaten hoffen aber, so die Londoner Times, dass „diese Symbolik die Iraker davon überzeugt, dass sie wirklich ihre Souveränität zurückgewinnen und die Angriffe der Guerilla aufhören, die der 14-monatige Besatzung schwer zugesetzt haben.“[71]

 Der Chef dieser Regierung, Allawi, kann dazu nichts beitragen. Er war ab 1961 enger Weggefährte Saddam Hussein, arbeitete in den 70er Jahren in London als Spitzel für den irakischen Geheimdienst und kam über den britischen Geheimdienst MI6 zur CIA. 1990 hatte er mit saudischer Unterstützung aus ehemaligen Militärs und Spitzenpolitiker der Baath-Partei die Exilorganisation „Iraq National Accord“ (INA) gebildet. Diese führte Mitte der 90er Jahre unter seiner Führung Terroranschläge im Irak aus. INA-Mitglieder zündeten Autobomben, jagten Schulbusse in die Luft und verübten Sabotageakte. Nach irakischen Angaben kamen dabei auch viele Zivilisten ums Leben. Ein von ihm organisierter Putschversuch gegen Saddam Hussein 1996 scheiterte kläglich.[72]

Als CIA-Offizier lieferte er auch einen guten Teil des Materials, mit dem die Geheimdienste ihre Bedrohungsanalysen über den Irak aufpeppten. So geht auf ihn wohl auch die von Tony Blair benutzte Kriegslüge zurück, Saddam hätte innerhalb von 45 Minuten Massenvernichtungswaffen einsetzen können.[73]

Neben Allawi gehören mindestens sieben weitere neue Regierungsmitglieder Organisationen an, die von den USA finanziert werden. Das Urteil vieler Iraker, dass auch die Interimsregierung nur aus Marionnetten der USA bestehe, ist daher verständlich.[74] Die meisten Mitglieder der neuen Regierung sind ausländische Staatsbürger, tragen britische, amerikanische oder französische Pässe und haben dort auch noch ihren Wohnsitz und ihre Familie – ebenso wie viele Mitglieder des abgelösten „Regierenden Rat“ und dessen Minister, die nun wieder zurück in ihre Herkunftsländer, Unternehmen und Jobs zurückkehrten.[75]

Alle einflussreichen Posten wurden unter den fünf maßgeblichen pro-amerikanischen Organisationen aufgeteilt. Das sind die beiden kurdischen Parteien PUK und KDP, die am stärksten vertreten sind, der Iraqi National Accord und die schiitischen Parteien Daawa und SCIRI. Nicht mehr dabei ist der Irakische Nationalkongress des früheren Pentagonfavoriten Ahmed Chalabi. Nur die im Moment reichlich hilflosen Ressorts Gesundheit, Erziehung, Landwirtschaft, Elektrizität, Umwelt, Arbeit und Soziales erhielten Leiter, die Brahimis Vorstellungen entsprachen: Der neue Gesundheitsminister z.B. arbeitete früher bei der WHO, andere vor Ort für die UNO, als Wissenschaftler an irakischen Universitäten oder als leitende Ingenieure in staatlichen irakischen Institutionen.[76]

In Washington war nie ein Geheimnis daraus gemacht worden, dass die Übergangsregierung nur wenige Befugnisse erhalten wird, weder die freie Verfügung über die für den Wiederaufbau bereitgestellten Gelder und die Einkommen aus den Ölexporten, noch die Kontrolle über die US-geführten Gefängnisse und Lager. Die irakische Justiz wird – ungeachtet aller Folterberichte – auch zukünftig keinen Einfluss auf die Gefangenschaft irakischer Bürger dort haben und auch keine Möglichkeiten Verbrechen von Besatzungssoldaten auf irakischem Territorium zu verfolgen, von Schadensersatz für die angerichteten Schäden ganz zu schweigen. Da der Interimsregierung explizit untersagt ist, wesentliche Gesetze zu ändern, bleibt auch die Anweisung Bremers in Kraft, die Angehörige der „Koalition“, Soldaten wie Zivilisten, Immunität vor Strafverfolgung durch irakische Gerichte garantiert. Am 26. Juni, zwei Tage vor Auflösung der CPA, unterzeichnete der scheidende Statthalter einen weiteren Erlass, der auch Mitarbeitern von US-amerikanischen und anderen westliche Unternehmen während der Durchführung ihrer Aufträge im Irak Immunität vor dem irakischen Gesetz zusichert.[77] Dadurch  können beispielsweise private Söldner selbst im Falle von Raub oder Mord vor irakischen Gerichten nicht belangt werden.

Eine Einschränkung der Befugnisse der provisorischen Regierung war auch eine Forderung der Iraker gewesen, die wie Ayatollah Al-Sistani eine Verschiebung der Wahlen schließlich akzeptierten. Sie sollte als demokratisch nicht legitimierte Autorität keine Entscheidungen treffen dürfen, die über die kurze Periode bis zur Einsetzung einer gewählten Regierung fortwirken würden. Konterkariert wurde diese vernünftige Beschränkung aber durch die Arbeit der Besatzungsbehörde, die obwohl noch weniger legitimiert, die Weichen auf viele Jahre hinaus stellte. Interessanterweise kann die Interimsregierung durchaus mit internationalen Konzernen längerfristige Verträge schließen. Da sie durch den Sicherheitsrat legitimiert wurde, erhalten ausländische Unternehmen somit mehr Rechtssicherheit für ihr Engagement im Irak als durch frühere Abkommen mit der Besatzungsbehörde.

Insgesamt hatte Bremer bis zum Ende seiner Amtzeit über 100 Dekrete („Orders“) und ergänzende Memoranden mit Gesetzeskraft erlassen, ein Fünftel davon noch schnell in den Wochen vor der formalen Übergabe der Regierungsgeschäfte.[78] Diese Verordnungen und Erlasse bleiben, falls sie nicht durch seinen letzten Erlass, der die Übergabe regelt („Order 100“), explizit aufgehoben wurden, auch nach Auflösung der Besatzungsbehörde gültig. Sie können – solange sich irakische Institutionen an die verordneten Spielregeln gebunden fühlen – erst durch eine gewählte Regierung in einem förmlichen Verfahren außer Kraft gesetzt werden. Je nach Auslegung gilt dies erst für eine Regierung, die auf Basis einer permanenten Verfassung, also frühestens in 18 Monaten, gewählt wurde.[79]

Bremer und seine Leute äußerten sich dem Guardian gegenüber optimistisch, dass ihr Werk eine gehörige Zeit überdauern wird. Die US-amerikanischen Juristen, die die Gesetze ausgearbeitet haben, bleiben auch nach Auflösung der CPA im Irak, um als „Ratgeber“ der provisorischen Regierung „ihre Gesetz am Leben erhalten“. Insgesamt sind mehr als 200 „Experten“ aus den USA als „Berater“ in den 28 irakischen Ministerien tätig und sorgen im Stile klassischer Kolonialbeamter, dass alles den gewünschten Weg geht. Zudem hat Bremer für jedes Ministerium einen „Generalinspekteur“ mit einer Amtszeit von fünf Jahren bestimmt, der alle Tätigkeiten der Behörde kontrollieren soll.[80]

Auch ein „Nationaler Sicherheitsberater“ und einen Generalinspektor für den neuen irakischen Geheimdienst („Iraqi National Intelligence Service“, INIS) wurden ernannt, die die Oberaufsicht über Training und Organisation der irakischen Armee und des Geheimdienstes übernehmen sollen. Die Schlüsselrolle des Nationalen Sicherheitsberaters wurde mit Mowaffak Al-Rubaie besetzt, der bereits als Mitglied des „Regierenden Rats“ für die USA einer der wichtigsten Strippenzieher im Irak war. Al-Rubaie ist vom Fach: gemäß Newsweek war er in den 1980er Jahren „der internationale Sprecher einer der gefürchtetsten Terrororganisationen des Mittleren Ostens – der irakischen Daawa Partei.“[81]

Vorgesorgt hatte Bremer zudem durch die Einrichtung und Besetzung verschiedenster wichtiger Kommissionen und Institutionen. So ernannte die CPA Hunderte Richter und Staatsanwälte und schuf zusätzlich einen „Zentralen Strafgerichtshof“, der vor allem für „organisiertes Verbrechen“ und „Terrorismus“ zuständig sein soll. Ihm überstellen die USA nun die Gefangenen, für deren Taten sie genügend Beweise zu haben glauben (die meisten anderen bleiben als „Sicherheitsgefangene“ in den US-geführten Lagern und Gefängnissen).[82] Der neue Gerichtshof“ ist eine seltsam gemischte juristische Institution, in der US-amerikanische Juristen Strafsachen für irakische Ankläger vorbereiten, die sie irakischen Richtern vorlegen, die wiederum von Bremer ausgewählt wurden.[83]

Großen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung wird auch die Einrichtung einer 7-köpfigen „Wahlkommission“ haben, die über die Zulassung von Kandidaten und Parteien entscheiden wird, sowie eine „Medien- und Kommunikations-Kommission“, die zuständig für Fernsehlizenzen und die Regulierung der Mobiltelefonnetze ist und das Recht hat Zeitungen Sanktionen aufzuerlegen oder zu schließen. Die Amtszeiten betragen ebenfalls jeweils fünf Jahre.

Die neu geschaffenen Kommissionen übernehmen somit zeitlich weit über die sogenannte „Übergangsperiode“ hinaus, nahezu alle Befugnisse, die bisher die entsprechenden Ministerien innehatten, stellte auch das Wall Street Journal fest. Bremer habe so „in alle Stille“ Institutionen geschaffen, die „den USA mächtige Hebel in die Hand geben, um jede wichtige Entscheidung der Interimsregierung beeinflussen zu können.“ [84]

 

Legitimierung durch den UN-Sicherheitsrat –  die Resolution 1546

Von einer „Machtübergabe“ und der „Wiederherstellung irakischer Souveränität“ kann also nicht die Rede sein, bestenfalls kann man in diesem Zusammenhang von der Übertragung administrativer Befugnisse sprechen. Ungeachtet ihrer begrenzten Macht, waren sich Lakthar Brahimi und Kofi Annan aber nicht zu schade, diese Regierung als „souverän“ zu bezeichnen. Zweiflern, die auf die fortgesetzte militärische Kontrolle des Landes durch das US-Militär hinwiesen, warf Brahimi einen „zu legalistischen“ Ansatz vor. „Souveränität“ bedeute für ihn, „das formale Ende der Besatzung“. „Es wird eine Regierung geben, die souverän sein wird und die diese Souveränität ausüben wird.“ Mit anderen Worten „Souveränität“ per Definition und nicht aufgrund realer Macht. Man habe den „Realitäten Rechnung zu tragen“ und dazu würden auch die 150.000 ausländische Soldaten gehören, die am 1. Juli nicht einfach verschwinden würden. Es werde aber eine Machtübergabe sein, da die CPA aufgelöst und Herr Bremer gehen würde, so die fortgesetzte Rosstäuscherei des UN-Vertreters.

In der expliziten Hilfestellung der UNO drückt sich die Unterstützung der anderen mächtigen, einst kriegskritischen Staaten für die US-Politik im Irak aus. Deutschland und Frankreich sehen es zwar nicht ungern, dass die USA und Großbritannien mit ihrer unilateralen Aggressionspolitik in Schwierigkeiten geraten sind, fürchten aber aus eigenem Interesse deren völliges Scheitern im Irak. Dies würde einen gewaltigen Rückschlag für den Einfluss aller westlichen Staaten in einer Region bedeuten, die auch für sie wirtschaftlich vital ist.

Sie forderten allerdings, wie auch Russland, mehr Befugnisse für die Übergangsregierung, einen Zeitplan für den Truppenrückzug und mehr Mitsprache der UNO – und damit auch für sich. Gegen die US-Pläne, in einer neuen Irak-Resolution die irakischen Sicherheitskräfte dem Oberbefehl der USA zu unterstellen, hatte der Beauftragte für die EU-Außenpolitik, Javier Solana, sogar „große Kämpfe“ angekündigt.[85]

Es wurde ein Sturm im Wasserglas. Die Europäer verzichteten darauf die Notlage der US-Regierung auszunutzen: Nach nur geringfügigen Änderungen an dem von den USA und Großbritannien vorgelegten Entwurf, verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 1546, die den geplanten „Übergangsprozess“ absegnete. Sie „unterstützt die Bildung einer souveränen Interimsregierung“, die „die volle Verantwortung und Autorität“ übernehmen würde. Sie „begrüßt“, dass am 30. Juni 2004 „die Besetzung enden und die Provisorische Behörde der Koalition zu bestehen aufhören“ würde und der „Irak wieder seine uneingeschränkte Souveränität geltend machen“ könne. Der Zeitplan des Übergangsprozess wurde ebenfalls gebilligt, der Wahlen zu einer „Übergangs-Nationalversammlung“ bis spätestens 31. Januar 2005 vorsieht. Diese soll u.a. eine neue repräsentative Übergansregierung bestimmen und innerhalb eines weiteren Jahres eine permanente Verfassung entwerfen, auf deren Basis dann bis Januar 2006 eine verfassungsmäßige Regierung gewählt werden soll.

Nach den völkerrechtlich gleichfalls mehr als fragwürdigen Resolutionen 1483 und 1511 war dies die dritte massive Hilfestellung der im Sicherheitsrat mit tonangebenden Staaten Frankreich, Russland und Deutschland. Sie gestanden damit – unter Missachtung der UN-Charta und damit in einem illegalen Akt – den Staaten, die den Irak unter Bruch des Völkerrechts überfielen, weitgehende und langfristige Verfügungsgewalt über ihre Kriegsbeute zu.

Darüber hinaus – ein Aspekt der wenig beachtet wird – gibt die Resolution den USA und Großbritannien auch Rückendeckung dabei, sich aus den Pflichten einer Besatzungsmacht davonzustehlen. In den Bereichen, wo es um diesen Aspekt geht, hatten sie es sehr eilig mit der irakischen Selbstverwaltung: bereits im Mai entließen sie die Ministerien für Gesundheit, Bildung, Wasserversorgung, Elektrizität, Öffentliche Arbeiten, Wissenschaft, Technologie und Kultur in die „Unabhängigkeit“ und machten sie von nun an allein verantwortlich für die Misere ihrer Ressorts.[86]

Den Weg frei für den Resolutionsentwurf der Besatzungsmächte machte ein Brief des neuen Ministerpräsidenten Allawi, in dem er – noch gar nicht richtig im Amt – pflichtgemäß seine Auftraggeber um den Verbleib ihrer Truppen im Land bat. Der US-Außenminister sicherte seinerseits in einem Brief zu, dass sich die Besatzungstruppen bei militärischen Operationen, die sie gemeinsam mit der irakischen Armee durchführen werden, mit der Interimsregierung „abstimmen“ wollen und sie diese darüber hinaus über ihre sonstigen Tätigkeiten „auf dem laufenden halten“ und „konsultieren“ würden.[87] Auf diese Briefe, die gemäß der Resolution eine „Sicherheitspartnerschaft“ begründen, wird in weiteren Text mehrfach Bezug genommen. Es ist eine „Partnerschaft“ zwischen Herr und Knecht, die tatsächliche Befehlsgewalt der US-Armee wird an keiner Stelle eingeschränkt. Die Ermächtigung aus Resolution 1511 wird noch einmal bekräftigt, die die „multinationalen Truppen“ – wie die Besatzungstruppen in den UN-Dokumenten genannt werden – legitimiert, „alle notwendigen Maßnahmen“ zu ergreifen, um für die „Aufrechterhaltung der Sicherheit und Stabilität im Irak“ zu sorgen, „einschließlich der Verhütung und Abschreckung des Terrorismus“. Diese „multinationalen Truppen“ sollen, wie auch die irakischen Sicherheitskräfte, unter dem Oberkommando der US-Armee verbleiben, bei der auch weiterhin die alleinige Entscheidungsgewalt liegt.

Auf den „Terrorismus“ im Irak wird mehrfach Bezug genommen. Unter diesem Begriff wird nun – nach der Legitimierung einer „souveränen“ Regierung durch die UNO – mehr den je, der gesamte Widerstand subsummiert werden.

Zwar konnte die Bush-Regierung jene Textpassage nicht verhindern, wonach das Mandat der Besatzungstruppen automatisch ausläuft, sobald Anfang 2006 eine verfassungsgemäß gewählte Regierung die Amtsgeschäfte in Bagdad übernimmt. Sie dürfte ihr aber ebenso wenig Sorgen machen, wie die Bestimmung, dass „dieses Mandat früher beendet wird, wenn die Regierung des Iraks darum ersucht.“ Bis Ende 2005 dürfte ein Abkommen, dass die weitere Truppenpräsenz regelt unter Dach und Fach sein und da die Interimsregierung keinen Tag ohne den Schutz der Besatzungstruppen überleben würde, ist ein Rückzugsersuchen ihrerseits auszuschließen.

Den Weg zu einer militärischen Unterstützung der Staaten, die weiterhin keine – wie auch immer bezeichneten – Besatzungstruppen stellen wollen, soll Absatz 13 ebnen, der den Aufbau einer eigenen Einheit zum Schutz der UN-Präsenz im Irak bestimmt. Auch diese „UNO-Truppen“ würden allerdings unter dem Kommando der „multinationalen Truppen“, also dem Oberbefehl der US-Armee stehen.

Die angeblich „führende Rolle“ der Vereinten Nationen bleibt auf Beratungstätigkeit der Interimsregierung bei der Vorbereitung von Wahlen und beim zivilen Wiederaufbau und der humanitären Hilfe beschränkt.

Absatz 24 beschließt, dass die Erlöse aus Verkäufen von Erdöl, Erdgas und Erdölprodukten weiterhin ausschließlich in den „Entwicklungsfonds für den Irak“ fließen werden. Der Fonds soll weiterhin vom „Internationalen Überwachungsbeirat“ IAMB überwacht werden. Diesem gehören bisher u.a. ein Vertreter des UN-Generalsekretärs, der Direktor des Internationalen Währungsfonds und der Präsident der Weltbank“ an. Er soll nun um einen Vertreter der irakischen „Regierung“ erweitert werden. Weiter heißt es, der Sicherheitsrat „stellt fest, dass nach Auflösung der CPA die Mittel dieses Fonds allein gemäß den Anweisungen der Regierung Iraks ausgezahlt“ würden. Dies ist eine bewusste Verschleierung der Verhältnisse: Nicht erwähnt wird der Aufsichtsrat des Fonds (Program Review Board), der ihn tatsächlich verwaltet. Auch dieser Aufsichtsrat untersteht zwar seit Juli der provisorischen Regierung, die Vertreter der US-amerikanischen Besatzungsmacht haben aber darin weiterhin die Mehrheit.[88]

Ausdrücklich bestätigt wird auch der Passus aus Resolution 1483, wonach mit den Exporten von Öl, Gas und Erdölprodukten „nach bester Praxis des Weltmarktes“ verfahren werden soll, womit dem Irak de facto die Einhaltung der Preis- und Förderquotenregelungen der OPEC untersagt wird. Dies ist eine massive Beschränkung irakischer Souveränität unmittelbar durch den UN-Sicherheitsrat selbst, dürfte aber auch im Interesse Frankreichs und Deutschland liegen. Wird der Irak damit „aus dem OPEC-Verbund herausgebrochen, so wird dieses einzige Rohstoffkartell der vormaligen Dritten Welt nicht mehr funktionieren,“ so der Kasseler Politwissenschaftler Prof. Werner Ruf. „Den Regeln des Weltmarkts, wird endlich auch hier zum Durchbruch verholfen.“[89]

Wo die Prioritäten der deutschen und französischen Regierung liegen, machten sie in Stellungnahmen deutlich, in der zwar Skepsis über die Praxistauglichkeit des nun eingeleiteten Übergangsprozess durchschienen, aber vor allem Genugtuung darüber geäußert wurde, dass die USA nun doch wieder auf sie zugehen und um ihre Mitarbeit ersuchen mussten. Auch in pro-amerikanischen Medien wunderte man sich jedoch, warum sie angesichts der schwierigen Lage, in der sich die USA befand, nicht mehr Zugeständnisse durchzusetzen versuchten.

Auf dem NATO-Gipfel Ende Juni 2004 in Istanbul, näherten sich die Supermacht und die „Kriegsgegner“  weiter an. Die NATO bot weitere Unterstützung bei der Besatzung an, insbesondere beim Aufbau irakischer „Sicherheitskräfte“. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder erneuerte sein Angebot, die aus Irakern gebildeten Hilfstruppen der USA durch die Bundeswehr militärisch auszubilden, allerdings nicht im Land selbst.

Der NATO-Gipfel ließ offen, welchen Umfang und welchen Finanzrahmen die Unterstützung schließlich annehmen wird. Der Forderung der USA nach einer direkten Truppenpräsenz der NATO im Irak erteilte vor allem Frankreichs Präsident Jacques Chirac noch eine klare Absage. Sie wird dennoch bald im Irak präsent sein: der Aufbau eines NATO-Verbindungs­büro in Bagdad ist schon fest geplant.[90]

 Auch wenn die Resolution zweifelsohne ein großer diplomatischer Erfolg der Bush-Administration war und die Zugeständnisse, die sie in der Auseinandersetzung im Sicherheitsrat machen mussten, geringer ausfielen als befürchtet, so ist die Durchsetzung ihres nun mit UN-Mandat versehenen „Übergangsprogramms“ kein glatter Sieg für sie.

Die US-Regierung wurde zu einem Zeitplan gedrängt, der eigentlich nicht ihren Intentionen entsprach. Es ist schließlich nicht zu erwarten, dass sie in dem verbleibenden halben Jahr bis zu den ersten Wahlen, durch „Demokratiepromotion“ eine ausreichende Basis im Lande schaffen, mit der pro-ame­ri­ka­nische Kräfte bei freien Wahlen bestehen können. Sie werden daher gezwungen sein, die Wahlen zu verschieben oder in ihrem Sinne zu manipulieren. In beiden Fällen wird sich dadurch die politische Situation noch weiter zuspitzen – allerdings erst nach der Präsidentenwahl in den USA und das ist für Bush und seine Mannschaft im Moment das wichtigste.

 Das wesentlichste Zugeständnis in der Auseinandersetzung um die neue Irak-Resolution mussten sie, kaum bemerkt von der westlichen Öffentlichkeit, ihren Gegnern im Irak selbst machen: Die Übergangsverfassung und das dort definierte föderale System wird, wie u.a. von Ayatollah Al-Sistani gefordert, in der Resolution nicht erwähnt. Al-Sistani hatte in einem Brief an Kofi Annan den Sicherheitsrat und die USA noch einmal eindringlich davor gewarnt, diesen Gesetzestext als Verfassung anzuerkennen: „jeder Versuch, ihm durch Erwähnung in der UN Resolution Legitimation zu verschaffen,“ würde „als eine dem Willen des irakischen Volkes entgegengesetzte Tat betrachtet werden und als ein Vorbote schwerwiegender Folgen“ betrachtet werden.[91]

Trotz der Bedeutung, die US-Strategen der Übergangsverfassung beimessen, verzichteten sie tatsächlich auf jegliche Erwähnung. Diese Rücksichtsnahme erzürnte jedoch ihre kurdischen Verbündeten massiv, die mit einem Boykott der neuen Regierung drohten. Washington sitzt hier offensichtlich in einer prinzipiellen Zwickmühle, die ebenfalls auf die Labilität des gesamten Projekts hinweist.

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[44] Naomi Klein, „Bush's Iraq: An Appointocracy“, The Globe and Mail/Common Dreams, 22.1.2004

[45] „Thousands of Iraqis Demand Elections on Day of UN Talks“, New York Times, 19.1.2004

[46] „Surging Shiite Demands Put US in a Bind“, Los Angeles Times, 18.1.2004

[47] „Occupation Forces Halt Elections Throughout Iraq“, Washington Post, 28.6.2003 (zit. nach Herbert Docene a.a.O.)

[48] „US Tries to Give Moderates an Edge in Iraqi Elections,“ New York Times, 18.1.2004

[49] The political transition in Iraq: report of the fact-finding mission, UN-Dokument S/2004/140, Seite 20

[50] Robert Collier, „Democracy How?“, The American Prospect, March 1st, 2004, http://www.prospect.org/print/V15/3/collier-r.html

[51] ebd.

[52] Report vom UN Fact-finding Team vom 23.2.2004, UN-Do­ku­ment S/2004/140, http://www.un.org/Docs/journal/asp/ws.asp?m=S/2004/140

[53] Siehe Art.23, 27, 29, 32 und 33 der irakischen Verfassung von 1990 (http://www.oefre.unibe.ch/law/icl/iz01000_.html). Die Verfassung war 1990 geändert worden, das Verfassungsreferendum fiel aufgrund des Krieges 1991 aus, sie trat aber dennoch faktisch in Kraft.

[54] Art. 14 der Interimsverfassung (Law of Administration for the State of Iraq for the Transitional Period, http://www.oefre.unibe.ch/law/icl/iz00000_.html ) 

[55] „Iraqi women could lose rights they've had for decades, senators say“, San Francisco Chronicle, 2.2.2004

[56] Protests Mount Against Interim Law, Institute for War & Peace Reporting, 15.3.2003, http://www.iwpr.net/index.pl?archive/irq/irq_53_3_eng.txt

[57] „Constitution blow“, Institute for War and Peace Reporting, 5.3.2004; Gemäß TAL sollen die Regionen zwar „nur nach geografischen und historischen“ und nicht nach ethnischen Kriterien gebildet werden, in der Praxis würde es aber dennoch, wie das kurdische Beispiel zeigt, auf eine ethnische/konfessionelle Teilung abzielen.

[58] Eine häufige Parole auf Demonstrationen gegen die Besatzung heißt: „Wir sind keine Schiiten, wir sind keine Sunniten, wir sind alle Iraker“

[59] Phyllis Bennis, „The Iraqi Constitution & Events in Spain“, Institute for Policy Studies, 16.3.2004,
http://www.ips-dc.org/comment/Bennis/iraqconspain.htm

[60] Hana Ibrahim, „Confiscating Iraqis’ Right to Work: The Most Dangerous Aspect of the The Constitution“, International Occupation Watch Center, March 29th, 2004

[61] Sistani: Iraq Interim Constitution Is 'Obstacle', Reuters, 8.3.2004

[62] Where to now, George? Ahmed Abdel-Halim, Mitglied des Ägyptischen Council for Foreign Affairs in Al-Ahram Weekly,, 18.4. 2004

[63] Herbert Docena,  In Iraq, the show must go on, Focus on the Global South, 26.4.2004, http://www.focusweb.org/main/html/Article289.html

[64] Dahr Jamail, „Falludschas Rebellen feiern den ‘Sieg’“, The NewStandard / ZNet 12.05.2004

[65] Robert Fisk „The government rules only in the capital“, The Independent, 22.7.2004

[66] „Iraqi Battalion Refuses to 'Fight Iraqis'„, Washington Post, April 11, 2004

[67] Jim Lobe, „US On the Brink Over Iraq“, Inter Press Service, 1.5. 2004, http://www.antiwar.com/lobe/?articleid=2456

[68] „Bremer the 'dictator of Iraq' in forming government“, Knight Ridder Newspapers, 2.6.2004

[69] „Brahimi quits post as UN envoy in Iraq“, Haaretz, 13.6.2004

[70] „’Where Is the Democracy?’ Iraqis’ Opinion of the New Interim Government“, IslamOnline, 3.6.2004

[71] The Times, 2. 6. 2004

[72] „Allawi's rocky road to the top“ und „Hard man for a tough country“, Sydney Morning Herald, 17.7.2004

[73] „Exiled Allawi was Responsible for 45-Minute WMD Claim“, Independent, 29.5.2004

[74] „The street speaks - Iraq's UN-backed government is made up of CIA pawns“, The Independent, 10.6.2004

[75] „New leaders in Iraq have deep ties to U.S.“, International Herald Tribune, 8.6.2004

[76] „The interim government leaders“, Council of Foreign Relations, http://www.cfr.org/background/background_iraq_ministers.php

[77] „Public Note“ der CPA vom 26. Juni 2004: http://www.iraqcoalition.org/regulations/

[78] siehe CPA, http://www.iraqcoalition.org/regulations/ Nach Ansicht Mahmoud Othmans, einem kurdischen Politiker und IGC-Mitglied, begann die Besatzungsbehörde hastig Gesetze zu forcieren  als klar wurde, dass die Besatzung formal bald enden würde. „Washingtons frühere Pläne sahen eine längere Besatzung vor.“ „Iraq Gov't Must Abide by U.S.-Made Laws“, The Guardian, 27.6.2004

[79] siehe Artikel 26 der Interimsverfassung (TAL), deren Annex vom 1.6.2004, sowie Order 100 der CPA, Sections 2 

Artikel 26 des TAL bestimmt, dass alle Gesetze, einschließlich der Erlasse der CPA, in Kraft bleiben, bis sie vom „Iraqi Transitional Government“ geändert oder außer Kraft gesetzt werden. Mit „Transitional Government“ wird die erste, auf Basis der TAL gewählte Regierung bezeichnet. Die „Interim Government“ genannte Regierung, die am 28. Juni eingesetzt wurde, kann zwar gemäß Annex zum TAL mit der Mehrheit des „Kabinetts“ und der Zustimmung des Präsidenten Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen, diese dürfen aber nicht über die Übergangsperiode hinauswirken.

[80] siehe „Order 57“„ der CPA: http://www.iraqcoalition.org/regulations/

[81] „Iraq's Mr. Cellophane“, Newsweek, Dec. 29/ Jan. 5 issue

[82] Carl Conetta a.a.O., „Making Wheels of Justice Turn in a Chaotic Iraq“, The New York Times, 1.8.2004

[83] Phyllis Bennis, Left Behind: The False „Hand-Overs“ of Iraq & Saddam Hussein, Institute for Policy Studies, July 5th, 2004, http://www.ips-dc.org/comment/Bennis/aftertrans.htm 

[84] „Behind the Scenes, US Tightens Grip on Iraq's Future“, Wall Street Journal, 13.5.2003

[85] James Conachy, „US-Offizier droht Massaker in Falludscha an“, WSWS, 24. April 2004

[86] Die Ressortleiter der „unabhängigen Ministerien“ blieben als Minister der Interimsregierung im Amt, siehe „Iraq's interim cabinet“, IslamOnline, http://www.islamonline.net/English/News/2004-06/01/article01a.shtml

[87] Beide Briefe sind in dt. Übersetzung unter http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Irak/un-res-anlagen.html dokumentiert.

Unter den jetzt 12 stimmberechtigten Mitgliedern des Boards sind zwei Iraker, ein Brite, ein Australier und 8 US-Amerikaner. (siehe Regulation 2 und 3 plus Anhänge unter http://www.iraqcoalition.org/regulations/ )

[89] Werner Ruf, „Resolution 1546 des UN-Sicherheitsrats oder: Wie souverän wird der Irak?“, FriedensJournal Nr. 4 / Juli 2004, http://www.frieden-und-zukunft.de/friedensjournal/archiv/texte/jahr2004/ruf01.html

[90] siehe „NATO bald auch im Irak – Die Bundesregierung ist auf Kriegsunterstützungskurs“, IMI-Standpunkt 2004/035 v. 2.7.2004, http://www.imi-online.de/2002.php3?id=998

[91] Juan Cole, „UN Resolution Passes Unanimously -- Sistani the Big Winner; Kurds Furious“, Informed Comment, http://www.juancole.com/2004_06_01_juancole_archive.html#108676099298442267

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